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Das Trockene Auge

Was ist eigentlich das Trockene Auge?

Unter einem Trockenen Auge versteht man eine Benetzungsstörung der Augenoberfläche, bestehend aus Bindehaut und durchsichtiger Hornhaut. Die Augenoberfläche, die keinen Schutz gegen Flüssigkeitsverlust und Austrocknung besitzt, wird vom Tränenfilm stets vollständig überspült. Bei Benetzungsstörungen reißt der Tränenfilm vorzeitig auf, so daß die oberflächlichen Zellschichten austrocknen und Schaden nehmen können. Würde der Austrocknungsprozess unbemerkt fortschreiten, so entwickelte sich über die Zeit eine zunehmende Hornhauttrübung, was zu einer Sehminderung, im schlimmsten Fall sogar zur Erblindung führte.

Die Augenoberfläche ist mit einem dichten Netz von schmerzempfindlichen Sensoren ausgestattet, die bei einem ersten Aufriß des Tränenfilmes sofort Alarm geben und uns zwingen, den kompletten Tränenfilm durch einen Lidschlag neu auszubreiten. Dieser Reflexbogen kann jederzeit leicht überprüft werden, indem wir uns zwingen, die Augen bewußt - ohne zu blinzeln - offen zu halten. Bereits nach wenigen Sekunden empfinden wir ein stetig steigendes Unbehagen, das schließlich in einen scharfen, oberflächlichen Schmerz übergeht, so dass wir zwanghaft die Augen schließen müssen.

Das TROCKENE AUGE entsteht in der Regel allmählich über einen langen Zeitraum. Die Benetzung wird unregelmäßig, der Tränenfilm reißt immer früher auf. So werden die schmerzempfindlichen Sensoren ständig gereizt. Einerseits versucht der Körper, die Störung auf verschiedenen Wegen, z.B. durch eine gesteigerte Lidschlagfolge oder Einschießen von Tränenflüssigkeit auszugleichen. Andererseits kann die Schmerzempfindung abstumpfen, ohne dass dabei die Störung völlig vergessen wird. Diese über lange Zeit laufende, individuell unterschiedlich ausgeprägte Gewöhnung erklärt, daß die vom Patienten wahrgenommenen Beschwerden sehr verschieden erscheinen können und nur in wenigen Fällen typisch in die Richtung TROCKENES AUGE weisen. Darüber hinaus können unterschiedliche Ursachen von Störungen, die den Tränenfilm aus dem Gleichgewicht bringen, zu unterschiedlichen Beschwerden führen, was die richtige Diagnose erschwert.

Welche Aufgaben hat der Tränenfilm?

Der Tränenfilm muß die Schleimhaut der Augenoberfläche vor einer Austrocknung schützen. Diese Aufgabe stellt sich allerdings als viel komplizierter heraus, als man vermutet.

Bestünden die Tränen ausschließlich aus Wasser, so verhielte sich diese Flüssigkeit auf der Augenoberfläche wie ein Regentropfen auf einer frisch gewachsten Autohaube. Die Augenoberfläche selbst ist nämlich wasserabweisend, das heißt, es käme gar nicht zu einer Benetzung. Darüber hinaus muß der Tränenfilm sehr dünn sein; denn durch einen dicken Flüssigkeitstropfen sehen wir verschwommen, so wie wir es vom Weinen kennen.

Schließlich muß der dünne Tränenfilm eine gewisse Stabilität haben, so dass zwischen zwei Lidschlägen ein rasches Aufreißen verhindert wird. Unser Tränenfilm muß sich also auch in diesem Punkt von einem einfachen Wasserfilm unterscheiden, der sofort aufreißt und verdunstet, wie z.B. beim Wischen mit einem nassen Fensterleder über eine Glasscheibe.

Neben der reinen Benetzung der Augenoberfläche nehmen die Tränen noch weitere wichtige Aufgaben beim Schutz des Auges wahr: So wird die äußere Hornhautschicht über den Tränenfilm mit Sauerstoff versorgt. Zusätzlich besitzt der Tränenfilm bakterienabtötende Eigenschaften: Keime, die über die Haut, beim Augenreiben oder einfach über die Luft an das Auge geraten, werden sofort abgewiesen und beseitigt. Das Auge wird so vor schweren Infektionen geschützt. Außerdem verdünnt die Tränenflüssigkeit schädliche Stoffe, spült Fremdkörper ab und "schmiert" die Lider, so daß sie beim Lidschlag nicht auf der Hornhaut reiben.

Wie ist der Tränenfilm aufgebaut?

Querschnitt: Auge und Tränenfilm

Die Augenoberfläche ist wasserabweisend. Darum wäre - wie bei der gewachsten Autohaube - selbst bei genügender Flüssigkeitsmenge keine Benetzung möglich, wenn die Tränen nur aus Wasser bestünden. Eine Austrocknung wäre die Folge. Dies verhindert der Schleim, der in speziellen Drüsenzellen gebildet wird und sich als sehr dünne Schicht an die Augenoberfläche fest anlagert. Diese Schleimschicht besitzt stark wasseranziehende Eigenschaften und ermöglicht jetzt erst die Benetzung der Augenoberfläche.

Der Hauptanteil des Tränenfilms zur Befeuchtung, Ernährung und zum Schutz der Hornhaut besteht aus Wasser mit darin enthaltenen Nähr- und Abwehrstoffen sowie Sauerstoff. Die Flüssigkeit wird von der Tränendrüse, die in der jeweils äußeren oberen Ecke der Augenhöhle liegt, sowie von kleinen zusätzlichen Drüsen, die über die Bindehaut verteilt sind, gebildet. Die Ruheproduktion beträgt pro Tag etwa 1,5 - 2 ml, kann allerdings bei Reizung (z.B. Fremdkörper oder Weinen) um mehr als das 100-fache gesteigert werden.

Auf seiner Oberfläche wird der Tränenfilm schließlich von einer dünnen Fettschicht zur Luft hin abgegrenzt, die verhindert, dass die Tränenflüssigkeit bei geöffnetem Auge zu rasch verdunstet. Diese Fettschicht besteht aus einer komplizierten Mischung verschiedener Fettbausteine. Sie ist bei Körpertemperatur flüssig und wird aus Drüsen, die in zahlreichen Schläuchen in Ober- und Unterlid liegen, gebildet. Diese Drüsen geben bei jedem Lidschlag ihr fettiges Sekret über kleine Öffnungen entlang der Lidkanten direkt auf den Tränenfilm ab.

Der gesamte dreischichtige Tränenfilm wird etwa alle 5 bis 10 Sekunden durch den Lidschlag gleichmäßig über der Augenoberfläche ausgespannt, wobei etwa 16% der Tränenmenge pro Minute ausgetauscht, das heißt abtransportiert und aus den jeweiligen Quellen ersetzt werden. Bei jedem Lidschlag wird nun durch fein abgestimmte Muskelbewegungen der Flüssigkeitsstrom von außen nach innen zum Nasenwinkel getrieben. Der Abtransport erfolgt dann über die zwei im Nasenwinkel des Ober- und Unterlides gelegenen Tränenpünktchen, die die Flüssigkeit über ein Gangsystem in die Nase ableiten. Von dort fließen die Tränen schließlich in den Rachen und werden verschluckt. Bewußt wird dem Patienten dieser Abflußweg, wenn er kurz nach dem Einträufeln von Augentropfen einen fremden, unangenehmen Geschmack bemerkt. Derartige Empfindungen sollten keinenfalls beunruhigen, vielmehr weist dies auf ein durchgängiges ableitendes Tränensystem hin

Wodurch entsteht ein Trockenes Auge?

Aus dem bisher Besprochenen wird leicht verständlich, dass es nicht nur eine Ursache für ein Trockenen Auge gibt und man ebensowenig nur von einer Art von Trockenen Auge sprechen kann. Jeder einzelne Bestandteil des Tränenfilms kann ebenso zum Ausgangspunkt einer Benetzungsstörung werden wie das gesamte Verteilungs- und Abflußsystem. Da sich die Erkrankung im typischen Fall durch ein Sandkorngefühl oder ein Gefühl der Trockenheit bemerkbar macht, hat sich der Begriff Trockenen Auge seit vielen Jahrzehnten weltweit für alle Benetzungsstörungen eingebürgert, obwohl dieser Begriff im engeren Sinne des Wortes nur für die Minderproduktion von Tränenwasser aus der Tränendrüse stehen dürfte.

Die Kenntnis von den vielen verschiedenen Ursachen für ein Trockenen Auge liegt im Aufgabenbereich Ihres Augenarztes. Um ihm und damit vor allem sich selbst zu helfen, sollten Sie sich genau Gedanken machen über die Art Ihrer Beschwerden, das tages- und jahreszeitliche Auftreten, über Ihren Tagesablauf (Beruf/Freizeit) und über frühere oder heute aktuelle Erkrankungen der Augen oder auch des Körpers einschließlich der Psyche.

Hier liegt oft ein Schlüssel zur richtigen Diagnose:
So können früher aufgetretene Hagel- oder Gerstenkörner auf eine Erkrankung der Fettdrüsen im Bereich der Lider hinweisen. Ein Kontakt mit Dämpfen oder auch Zigarettenrauch kann ebenfalls im Zusammenhang mit Benetzungsstörungen bedeutsam sein. Schließlich können verschiedene Medikamente, die Sie wegen anderer Erkrankungen einnehmen oder die Sie als Augentropfen längere Zeit angewendet haben, ursächlich mit dem Trockenen Auge in Zusammenhang stehen. Besonders schwerwiegende Störungen verursachen bestimmte freiverkäufliche Augentropfen, die gegen das "Rote Auge" angeboten werden. Diese "Weißmacher" schaffen aufgrund ihrer gefäßverengenden und abschwellenden Wirkung zunächst Linderung, können aber das nicht erkannte ursächliche Leiden verstärken, da einerseits nach kurzer Zeit die Wirkung auf die Blutgefäße durch eine Gewöhnung an das Medikament nachläßt und andererseits die Mittel Zusätze enthalten können, die eine Austrocknung der Hornhaut sogar verstärken. Der Patient nimmt dann in der Regel diese Tropfen zunehmend häufiger und über einen immer längeren Zeitraum und kann so seine Augen ernsthaft schädigen.

Warum die Anzahl der Patienten, die unter einem Trockenen Auge leiden, in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Mögliche Ursachen können in der wachsenden Umweltbelastung sowie in der Klimatisierung unserer Wohnungen, Arbeitsplätze und Autos liegen. In letzter Zeit mehren sich Berichte, daß bei gesteigerter Lesetätigkeit und bei der Arbeit an Bildschirmgeräten das Trockenen Augebeobachtet wird, insbesondere dann, wenn der Arbeitsplatz nicht optimal eingerichtet ist. Auch wenn derartige Tätigkeiten nicht als Ursache in Frage kommen, so stellen sie zumindest einen Faktor dar, der die Beschwerden des Trockenen Auge eher verstärkt als zum Beispiel die Arbeit auf dem freien Feld.

Darüber hinaus kann der breite Einsatz von Psychopharmaka, Schlafmitteln und auch der Beta-Blocker zur Behandlung des Bluthochdruckes oder auch des "Grünen Stars" zu Tränenfilmstörungen führen. Das gleiche gilt für Antibaby-Pillen.

Ist das Trockene Auge gefährlich?

In den allermeisten Fällen bedroht eine Benetzungsstörung nicht akut das Sehvermögen. Neben der Oberflächenbelastung des Auges stehen die ständigen Beschwerden durch die Reizung der Augenoberfläche (Schmerzen, Jucken, Reiben etc.), die auch zu psychischen Belastungen führen können, oft im Vordergrund und machen eine Therapie notwendig.

Darüber hinaus muss man sich klar machen, daß eine Benetzungsstörung die Widerstandskraft des Auges schwächt, so daß bakterielle oder virusbedingte Entzündungen bis zur Geschwürbildung entstehen können. Kommt es gar zu ständigen Austrocknungen, so können Gefäße in die Hornhaut einsprießen, was Narben und Trübungen mit sich bringt. Akute Probleme entstehen, wenn Verziehungen der Lider oder ein unvollständiger Lidschluss zu einer unzureichenden Tränenverteilung und damit zu raschen Austrocknungen führen. Hier muss schnell, eventuell auch operativ gehandelt werden, da sonst die Hornhaut schweren Schaden nehmen kann.

Schließlich muss der Patient sich darüber klar sein, daß das Trockenen Auge eine langwierige, das heißt chronische Erkrankung ist, was unter Umständen eine ebenfalls lange, ja sogar in manchen Fällen lebenslange Behandlung notwendig macht. Um so wichtiger wird es, Diagnose und Therapie vom Augenarzt exakt bestimmen zu lassen, um so zu vermeiden, daß eine ungezielte Therapie nicht nur nutzlos ist, sondern sogar möglicherweise zusätzliche Probleme schaffen kann.

Die Frage ob Fehlsichtige, die am Trockenen Auge erkrankt sind, trotzdem Kontaktlinsen tragen können, kann nur vom Augenarzt beantwortet werden. Grundsätzlich schließt einTrockenen Auge das Tragen von Kontaktlinsen nicht aus.

Kann man die Diagnose: "Trockenes Auge" selbst stellen und sich dann selbst behandeln?

Vor jeder Therapie steht die Diagnose. Die richtige Diagnose stellen, bedeutet: die Ursache für die Benetzungsstörung erkennen. Dies ist oft nicht einfach und bedingt eine umfassende Kenntnis der Zusammenhänge sowie viel Erfahrung in diesem Bereich. Neben der gründlichen Erforschung der Krankenvorgeschichte und der allgemeinen Untersuchung des Auges stehen dem Augenarzt eine Anzahl von unterschiedlichen Tests und Proben zur Verfügung, die wichtige Hinweise zur Erkennung der Ursache und des Schweregrades der Tränenfilmstörung liefern. Gleichzeitig kann eine Abgrenzung zu anderen, völlig unterschiedlichen Erkrankungen von Bindehaut und Hornhaut erfolgen.

Die Augenoberfläche reagiert auf ganz verschiedene Störungen in der Regel mit einer verstärkten Füllung bzw. Erweiterung der Blutgefäße, was uns als "Rotes Auge" erscheint. Diese Reaktion mit gefäßverengenden Substanzen, den "Weißmachern" oder den Augentropfen, die schon vor einem Jahr einmal halfen, zu behandeln, kann bedeuten, daß die wirkliche Krankheit übersehen und durch die Therapie verschleiert wird. Man riskiert damit, dass die Krankheit ungehindert fortschreitet und zu Schäden führt, die nur mühsam oder gar nicht mehr behoben werden können.

Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass auch dann, wenn die Diagnose Trockenen Auge richtig ist, es keine einheitliche Therapie geben kann. Ihr Augenarzt wird immer versuchen, die spezielle Störung Ihres Tränenfilms zu erfassen und zu behandeln. Ihm steht eine breite Palette von Präparaten zur Verfügung. Sie unterscheiden sich voneinander in ihrer Flüssigkeit, ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem Gehalt an Konservierungsmitteln. Finden Sie gemeinsam mit Ihrem Augenarzt heraus, welches für Sie das geeignete Präparat ist.

Selbst anscheinend geringfügige Augenbeschwerden sind oft ein ernstzunehmendes Signal. Ihr Augenarzt kann die Beschwerden deuten. Schieben Sie Ihren Besuch daher nicht auf, denn Ihr Sehvermögen ist Ihnen wichtig!

Herausgeber:
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA), Postfach 11 01 44, 40501 Düsseldorf