Biomimetisches Langzeitresorbierbares Trommelfellimplantat – Einer den Top 3 beim 25. Otto von Guericke-Preis der AiF 2021
Erstmalig: Dauerhafte und komplette Rehabilitation des Trommelfells
Über 30 Millionen Menschen leiden jährlich an den Folgen eines defekten Trommelfells. Ohne fachmedizinische Behandlung kann dies zu dauerhaften Schäden und schwerem Hörverlust führen. Zur Rekonstruktion des Trommelfells, der sogenannten Myringoplastik, werden heute körpereigene Knorpelhaut, Muskelhaut oder synthetische Materialien eingesetzt. „Da deren Materialeigenschaften nicht denen des natürlichen Trommelfells entsprechen, ist eine vollständige Rehabilitation der Trommelfell-Funktion damit nicht möglich“, erklärte Professor Marcus Neudert vom ERCD, HNO-Klinik Dresden an TU Dresden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom ERCD, HNO-Klinik Dresden und ITM der TU Dresden entwickelten gemeinsam innerhalb des IGF-Vorhabens „MyringoSeal“ ein biomimetisch aufgebautes künstliches Trommelfellimplantat, dessen Schwingungseigenschaften und Druckstabilität mit denen eines menschlichen Trommelfells vergleichbar sind. „Das ist bisher einmalig. Die neuartige Membran ermöglicht eine dauerhafte und komplette Wiederherstellung des Trommelfells. Die Herstellung solcher Implantate ist mithilfe der Elektrospinntechnologie aus den Biomaterialien Seidenfibroin und Polycaprolacton realisierbar“, beschrieb Aibibu die Forschungsergebnisse. Anders als die aktuell verwendeten Materialien erlaube das Trommelfellimplantat eine naturgetreue Wiederherstellung der Schallleitung. Es fühle sich, laut Chen, operativ wie natürliches Gewebe an. „Bei der Entwicklung achteten wir darauf, dass es sich um schneidbare Materialien handelt. Damit können die Membranen direkt an den Trommelfelldefekt angepasst werden“, so Benecke weiter. Das Material halte aufgrund seiner Eigenschaften auch über Wasseradhäsion an Ort und Stelle, da naturgemäß Naht- oder Klebetechniken in diesem Bereich nicht eingesetzt werden können.
Das IGF-Projekt „MyringoSeal“ der Forschungsvereinigung DECHEMA Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. wurde über AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der IGF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit öffentlichen Mitteln gefördert.
Forschungsergebnisse auch in völlig anderen Branchen anwendbar
Die Forschenden kooperierten in dem IGF-Projekt unter anderem mit der Heinz Kurz GmbH aus Dusslingen. Dessen Geschäftsführer Matthias Mertens fasste seine Erfahrungen zusammen: „Als mittelständischer Hersteller von Medizinprodukten, gerade im Bereich der HNO und der passiven Mittelohrimplantate, sind wir von den Ergebnissen begeistert. Zum einen, weil sich für den Patienten völlig neue Therapien auftuen, für die es bisher keine Option gab. Zum anderen stärkt es uns auch im Wettbewerb, indem wir uns von dem, was auf dem Markt ist, abgrenzen können.“
Weiter betonte Dr. Andreas Förster, Geschäftsführer der DECHMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., eines von 100 AiF-Mitgliedern: „‘MyringoSeal‘ ermöglicht die passgenaue Herstellung von kompletten Fasermaterialien. Dadurch ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, nicht nur in der Medizintechnik, sondern auch in anderen Branchen, wie der Elektrotechnik oder der Architektur. Faktoren wie die anwendungsorientierte Zusammenarbeit mit klein- und mittelständischen Unternehmen sowie die branchenübergreifende Nutzung der Forschungsergebnisse machen dieses Projekt zu einem herausragenden Beispiel der Industriellen Gemeinschaftsforschung.“
Einblick in das IGF-Projekt „MyringoSeal“ finden Sie in der spannenden vierminütiger Film unter folgendem Link: www.youtube.com/watch?v=Ur7BOXZclYs
Ansprechpartner zum IGF-Projekt:
Prof. Dr. med. Marcus Neudert, Uniklinikum Dresden, E-Mail: marcus.neudert(at)ukdd(.)de, Tel.: +49 351 458 3107
Dr.-Ing. Dilbar Aibibu
Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden
E-Mail: dilbar.aibibu(at)tu-dresden(.)de, Tel. +49 351 463 3944040
Über Otto von Guericke-Preis
Mit dem Otto von Guericke-Preis zeichnet die AiF das IGF-Projekt des Jahres aus. Er wird seit 1997 vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Mit dem Preis würdigt die AiF Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), die vom Bundeswirtschaftsministerium mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.
Die Forschungsvereinigungen der AiF haben in jedem Jahr die Möglichkeit, Vorschläge einzureichen. Eine Jury, bestehend aus den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Rates (WR) der AiF, wählt aus den eingegangenen Vorschlägen zunächst drei Finalisten-Teams aus, die die Jury mit einem besonders hohen Erkenntnisgewinn, aber auch mit der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Ergebnisse für mittelständische Unternehmen überzeugt haben. Aus deren Mitte ermittelt die Jury später das Gewinnerteam. Die Verleihung des Otto von Guericke-Preises findet im Rahmen einer Veranstaltung statt.