Hydrocephaluschirurgie
Hydrocephalus bei Kindern – was bedeutet das?
Der Begriff „Hydrocephalus“ (oder auch „Hydrozephalus“) stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet „Wasserkopf“. Mit „Wasserkopf“ ist dabei die krankhafte Erweiterung der Hirnwasserkammern („Ventrikel“) gemeint. Der Krankheitswert entsteht durch eine Störung des Hirnwasserkreislaufs mit Druckerhöhung im Schädelinneren, die verschiedene Ursachen haben kann.
Bild1: innere Hirnkammern, hier blau dargestellt (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.en)
Was sind die Ursachen eines Hydrocephalus bei Kindern?
Hydrocephalus bei Kindern ist in einer Störung des Hirnwasserkreislaufs begründet, deren Ursache
- eine erhöhte Hirnwasserherstellung,
- eine verminderte Wiederaufnahme des Hirnwassers in den Blutkreislauf oder
- ein gestörter Abfluss des Hirnwassers
sein kann.
Die häufigste Ursache für Missverhältnisse im Hirnwasserkreislauf ist ein gestörter Hirnwasser-Abfluss, ein sogenannter „Hydrocephalus occlusus“ (auch „Verschlusshydrocephalus“) der wiederum durch
- eine angeborene Fehlbildung, wie zum Beispiel bei der Spina bifida (Meningomyelocele), oder der Aquäduktstenose,
- Infektionen wie z.B. eine Meningitis,
- Hirntumore oder
- durch Blutungen im Schädelinneren
ausgelöst werden kann.
Blutungen im Schädelinneren, die häufig im Rahmen einer Frühgeburtlichkeit auftreten und dort im Verlauf des Blutungsabbaus die Abflusswege der Hirnwasserkammern (Ventrikel) verlegen oder durch eine Entzündungsreaktion zu einer veränderten Hirnwasserherstellung führen, stellen dabei die häufigste Ursache für einen Hydrocephalus bei Kindern dar.
Was sind typische Hydrocephalus-Symptome bei Kindern?
Bei der Hydrocephalus-Symptomatik wird zwischen Säuglingen (jünger als 1 Jahr) und Kindern (älter als 1 Jahr) unterschieden.
Hydrocephalus-Symptome bei Säuglingen
Typische Symptome bei Säuglingen, die auf einen Hydrocephalus hinweisen können, sind
- ein übermäßiges Schädelwachstum sowie
- (bei starker Ausprägung) das sogenannte „Sonnenuntergangsphänomen“.
Das übermäßige Schädelwachstum bei Säuglingen ist dabei in den noch offenen Schädelnähten begründet, welche bei einer Druck- und Volumenzunahme im Kopf nachgeben und auseinanderweichen. Damit wird der Kopf größer. Beim sogenannten „Sonnenuntergangsphänomen“ ist ein Abwärtsblick der Augen bei geöffneten Lidern gemeint. Der untere Teil der Hornhaut schiebt sich dabei unter das Unterlid des Auges und lässt die Iris mit der darüber befindlichen weißen Sklera („Lederhaut“) wie eine untergehende Sonne wirken.
Zudem können Säuglinge durch Symptome wie
- Trinkunlust,
- wiederholtes Erbrechen,
- Bewusstseinsstörungen,
- epileptische Anfälle oder
- Vermehrte Schläfrigkeit bis hin zu Koma-ähnlichen Zuständen
- Bradykardie (verlangsamter Herzschlag)
- mittelfristig Entwicklungsverzögerung
auffällig werden. Treten diese Symptome auf, handelt es sich um einen absoluten Notfall, der einer umgehenden Behandlung in einer auf Hydrocephalus bei Säuglingen spezialisierten Klinik bedarf.
Hydrocephalus-Symptome bei Kindern
Ältere Kinder fallen bei akutem Hirndruck vor allem durch
- Nüchternerbrechen,
- Wesensänderung,
- stärkste Kopfschmerzen,
- Sehstörungen
- epileptische Anfälle und
- vermehrter Schläfrigkeit bis hin zu Koma-ähnlichen Zuständen
- Bradykardie (verlangsamter Herzschlag)
auf.
Auch bei dieser Symptomatik sollte eine sofortige Vorstellung in einer Klinik mit kinderneurochirurgischer Anbindung erfolgen.
Wie wird Hydrocephalus bei Kindern diagnostiziert?
Um die Situation besser einschätzen zu können wird nach Erhebung der Krankengeschichte eine bildgebende Diagnostik durchgeführt. Hierbei ist vor allem bei Säuglingen mit noch offener Fontanelle zunächst eine Ultraschalldiagnostik des Schädels anzustreben. Diese ist sehr schnell und einfach durchführbar.
Zur besseren Einschätzung der Ursache des Hydrocephalus erfolgt häufig auch eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels in Narkose.
Eine Computertomographie (CT) des Schädels bleibt der Notfallsituation vorbehalten. Der Vorteil ist die kurze Zeit, die für diese Untersuchung benötigt wird. Der Nachteil ist eine gewisse, wenn auch nur geringe Strahlenbelastung, wobei es sich um Röntgenstrahlung handelt. Weiterhin können nur begrenzt Aussagen über das Hirngewebe getroffen werden.
Die verschiedenen Verfahren der Bildgebung erlauben dann eine Einschätzung, ob Druck im Schädelinneren vorliegt. Damit kann gezielt eine passende Therapie geplant werden.
Wie wird Hydrocephalus bei Kindern behandelt?
Eine effektive medikamentöse Therapie zur Behandlung des Hydrocephalus ist derzeit nicht bekannt. Die einzige Möglichkeit, die Ursache für einen Hydrocephalus zu beheben, bleibt somit ein chirurgischer Eingriff. Die Ursache kann jedoch meist nicht direkt behoben werden, da beispielsweise ein gestörter Abfluss durch Verklebungen nach Blutungen nicht wiedereröffnet werden kann. Stattdessen werden alternative Abflusswegegeschaffen um somit den Aufstau des Hirnwassers zu beheben.
Hierbei kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung.
Ventrikulo-peritonealer Shunt
Die gängigste Operation bei nachgewiesenem Hydrocephalus ist die Anlage eines sogenannten ventrikulo-peritonealen Shunts. Damit ist ein Schlauchsystem aus Silikon gemeint, welches von einer Hirnwasserkammer, meist einem Seitenventrikel aus unter der Haut bis in den Bauch geleitet wird und das Hirnwasser in den Bauchraum ableitet. In der Bauchhöhle wird das Hirnwasser dann wieder in den Blutkreislauf aufgenommen.
Um zu verhindern, dass insbesondere aufgrund der Schwerkraft (beispielsweise beim Hochnehmen des Kindes oder beim Laufen) zu viel Hirnwasser auf einmal abfließt, werden meist Ventile in einem Shuntsystem verbaut. Hierbei gibt es eine Vielzahl von Herstellern und Ventiltypen mit jeweiligen Vor- und Nachteilen. Gute Erfahrung haben wir mit Differentialdruck-, und Gravitationsventilen gemacht. Es gibt fest eingestellte und verstellbare Ventile. Bei den fest eingestellten Ventilen gibt es selbstverständlich angepasste Druckstufen für Kinder. Die Druckstufe wird nach den individuellen Erfordernissen des Kindes ausgewählt. Sollte es nach verschiedenen Bauchoperationen nicht möglich sein den ableitenden Silikonkatheter in den Bauchraum abzuleiten, gibt es auch die Möglichkeit das Hirnwasser über einen ventrikulo-atrialen Shunt, anstatt in den Bauchraum, in den rechten Herzvorhof abzuleiten. Diese Art der Ableitung wird jedoch vergleichsweise selten angewendet, auch aufgrund des schnellen Wachstums der Kinder.
Quelle: Moore, clinically oriented Anatomy, Lipincott William and Wilkins, 2010
Externe Ventrikeldrainage“ (EVD)
Bei einer frischen Blutung oder Infektion stellt sich das Hirnwasser nach Eingehen in den Ventrikelraum trüb und eiweißreich dar, was zu einem Verstopfen der Schläuche oder Bauteile des Shuntsystems führen kann.
In diesem Fall wird das Hirnwasser vorübergehend über eine „Externe Ventrikeldrainage“ (EVD) aus dem Körper hinaus abgeleitet. Sobald das Hirnwasser klar ist und die richtige Druckstufe gefunden wurde, wird das System, wie oben beschrieben, in den Bauch hineingelegt.
Minimal-invasive endoskopische Operation
In seltenen Fällen, zum Beispiel bei einem Fehlbildungshydrocephalus, speziell einer „Aquäduktstenose“, kann auch eine endoskopische, minimal-invasive Operation durchgeführt werden. Hierbei wird im Gehirn ein neuer, innerer Abflussweg (z.B. per „Ventrikulozisternostomie“) geschaffen. Solche Operationen erfolgen nach gemeinsamer Prüfung der Indikation durch die Kollegen der Neurochirurgie. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass bei kleinen Kindern trotzdem im Verlauf die Anlage eines ventrikulo-peritonealen Shunts notwendig werden kann.
Mögliche Komplikationen
ie bei jedem chirurgischem Eingriff, sind als Hauptkomplikationen, im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes,
- die Verletzung der Organe, hier des Hirns,
- Blutungen oder
- Infektionen
zu nennen. Weiterhin können später im Verlauf
- Materialversagen,
- die Verstopfung der Bauteile oder
- eine Fehllage der Bauteile
auftreten.
Die späten Komplikationen treten am häufigsten im 1. Jahr nach der Operation auf und müssen durch eine Folgeoperation behoben werden.
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung findet im Rahmen regelmäßiger Nachkontrollen statt, die während unserer „Shuntsprechstunde“ durchgeführt werden.
Aufgrund der bereits erwähnten erhöhten Komplikationsrate und des erheblichen Kopfwachstums im 1. Lebensjahr erfolgt eine ärztliche Vorstellung zu Beginn häufiger in Abständen von 3 bis maximal 6 Monaten. Bei guter Entwicklung erfolgen dann jährliche bis zweijährliche Kontrollen, bei denen vor allem auf die Entwicklung des Kindes, eine noch ausreichende Länge des Katheters im Bauchraum und optimale Ableitung des Hirnwassers geachtet wird.
Alle 3 bis 4 Jahre wird außerdem eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes durchgeführt, um die Lage des zentralen Schlauches und die Weite der Hirnwasserkammern zu beurteilen. Zeigt sich der Schlauch im Bauchraum durch das Wachstum des Kindes zu kurz wird der Schlauch in einer Operation verlängert.
Wie ist die Prognose bei Säuglingen und Kindern mit Hydrocephalus?
Zunächst sind die neurologischen Probleme der Kinder Folge der Ursache des Hydrocephalus und nicht der Shuntoperation. Bei rechtzeitiger und zielgerichteter Therapie zeigt sich häufig eine gute Prognose, natürlich in Abhängigkeit der Ursache, sodass die Kinder im weiteren Verlauf eine gute Entwicklung zeigen und möglicherweise keinen zusätzlichen Förderbedarf haben.
Wichtig sind jedoch regelmäßige Verlaufskontrollen, hierbei vor allem über unsere „Shuntsprechstunde“. Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen sollten ebenfalls durchgeführt werden.
Bei möglichem Förderbedarf binden wir unsere mit einem Shuntsystem versorgten Kinder auch an unser Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) an.
Wo finde ich weiterführende Informationen und Hilfe zu Hydrocephalus bei Kindern?
Gern beantworten wir all ihre Fragen zum Thema „Hydrocephalus bei Kindern“ auch im Rahmen unserer „Shuntsprechstunde“. Zudem können wir Ihnen folgende Informationsquellen und Institutionen für weiterführende Informationen und Unterstützung nennen:
Vereine und Institutionen
Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) des Universitätsklinikums Dresden
Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e.V.
proREMUS e. V. Selbsthilfeverein und Elterninitiative
Häufige Fragen zum Thema „Hydrocephalus bei Kindern“
Ist ein Hydrocephalus heilbar? Wie kann man einen Hydrocephalus heilen?
Die Ursache eines Hydrocephalus ist grundsätzlich nicht heilbar. Man kann ihn aber so gut behandeln, dass ein normales Leben, natürlich abhängig vom Schweregrad der Hirnschädigung, möglich ist. Die gängigste Art einen Hydrocephalus zu behandeln ist die Ableitung des Hirnwassers in den Bauchraum durch einen ventrikuloperitonealen Shunt. Im Bauchraum wird das abgeleitete Hirnwasser resorbiert und gelangt wieder in den Körperkreislauf. Bei Verwachsungen im Bauchraum, die beispielsweise durch Voroperationen im Bauchraum entstanden sind, gibt es auch die Möglichkeit der Hirnwasserableitung in den Blutkreislauf, ein sogenannter ventrikuloatrialer Shunt. Bei seltenen Indikationen wie der Aquäduktstenose besteht auch die Möglichkeit, eine innere Ableitung als 3.-Ventrikulozisternostomie ohne Fremdkörper durchzuführen.
Ist ein Hydrocephalus gefährlich?
Ein Hydrocephalus kann, wenn er nicht behandelt wird, gefährlich sein. Durch den Aufstau des Hirnwassers in den Hirnwasserkammern kommt es zur Erweiterung selbiger und nachfolgend zur sogenannten Hirndrucksteigerung. Da das Hirngewebe im knöchernen Schädel nicht ausweichen kann, wird somit entweder die Durchblutung behindert oder das Hirngewebe selbst geschädigt. Deshalb ist das frühzeitige Erkennen und Behandeln eines Hydrocephalus zur Verhinderung bleibender Schäden sehr wichtig.
Ist Hydrocephalus eine Behinderung?
Ein Hydrocephalus kann Symptome verschiedenster Ausprägung haben und somit für den Betroffenen auch eine Behinderung darstellen. Ein Großteil der Betroffenen hat jedoch nur wenige Einschränkungen im Alltag.
Der Shunt, welcher den ableitenden Katheter darstellt, wird unter der Haut verlegt und ist äußerlich kaum sichtbar.
Wie äußert sich erhöhter Hirndruck?
Erhöhter Hirndruck kann, abhängig vom Alter des Kindes, sehr verschiedene Symptome verursachen.
Säuglinge fallen durch eine Größenzunahme des Kopfes mit gespannter Fontanelle, auseinanderweichenden Schädelnähten und eventuell einem sogenannten Sonnenuntergangsphänomen auf. Sie zeigen schwallartiges Erbrechen, Trinkunlust, starke Müdigkeit, Unleidlichkeit oder Krampfanfälle.
Bei älteren Kindern gesellen sich zu den Symptomen Erbrechen, starke Müdigkeit und Krampfanfällen noch starke Kopfschmerzen, Wesensänderung und Sehstörungen.
Wie gefährlich ist eine Shunt-OP?
Eine Shunt-Operation birgt wie jede Operation Komplikationen und Risiken. Wobei auch hier, wie bei allen Operationen, Blutungen, Verletzungen von Nachbarorganen, hier das Hirn und Wundinfektionen, zu nennen sind. Die Komplikationsrate von Shunt-Operationen ist nicht höher als bei anderen neurochirurgischen Eingriffen.