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Familiärer Brust- und Eierstockkrebs

Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

Als Teil des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs bieten wir in Kooperation mit der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eine spezielle Sprechstunde bei Verdacht auf erbliche Formen von Brust- und Eierstockkrebs an. Als Mitglied des Deutschen Konsortiums „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs“ haben wir die Möglichkeit, Patientinnen mit einem hohen Erkrankungsrisiko in ein intensiviertes Früherkennungsprogramm aufzunehmen. Weitere Informationen zu Familiärem Brust- und Eierstockkrebs finden Sie unter den folgenden Reitern.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZU FAMILIÄREM BRUST- UND EIERSTOCKKREBS

Brustkrebs ist die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Frauen, denn etwa jede 8.-9. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Es werden erbliche (familiäre) und sporadische (ohne familiäre Veranlagung) Brust-/Eierstockkrebs-Erkrankungen unterschieden, wobei die erbliche Veranlagung (Prädisposition) nur für einen kleinen Teil aller Brustkrebsfälle (etwa 5-10 %) verantwortlich ist.

Anhand des klinischen Befundes der Patient*innen kann nicht zwischen erblicher und nicht-erblicher Form unterschieden werden. Ein frühes Erkrankungsalter und beidseitiges Auftreten sind allerdings beim erblichen Brustkrebs häufiger. Der stärkste Hinweis auf die erbliche Form ist das Auftreten des Brustkrebses in aufeinander folgenden Generationen. Zusätzlich können auch andere bösartige Tumore (z. B. Eierstockkrebs oder bei Männern Prostatakrebs) vorkommen. Jedoch sind mehrere Erkrankte in einer Familie noch kein Beweis für das Vorliegen der erblichen Form, denn durch das relativ häufige Vorkommen von Brust- und Eierstockkrebs in der allgemeinen Bevölkerung können mehrere Erkrankungen in einer Familie auch zufällig auftreten.

Die Indikation zur genetischen Diagnostik ist gegeben, wenn eines der vom Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs etablierten Kriterien bei einer erkrankten Patientin bzw. in einer Linie einer Familie erfüllt ist:

  • Mindestens 3 Frauen mit Mammakarzinomerkrankungen unabhängig vom Alter
  • Mindestens 2 Frauen mit Mammakarzinomerkrankungen, davon eine vor dem 51. Geburtstag
  • Mindestens eine an Brustkrebs erkrankte Frau und mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau oder eine an Brust- und Eierstockkrebs erkrankte Frau
  • Mindestens zwei Frauen mit Ovarialkarzinomerkrankungen unabhängig vom Alter
  • Mindestens eine Frau mit Brustkrebs vor dem 36. Geburtstag
  • Mindestens eine Frau mit einer bilateralen Mammakarzinomerkrankung, die erste vor dem 51. Geburtstag
  • Mindestens ein Mann mit Mammakarzinomerkrankung und eine Frau mit Mamma- oder Ovarialkarzinomerkrankung unabhängig vom Alter
  • Mindestens eine Frau mit triple-negativer Mammakarzinomerkrankung vor dem 50. Geburtstag
  • Mindestens eine Frau mit Ovarialkarzinomerkrankung vor dem 80. Geburtstag

Aktuell wird vom Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs bei Erfüllung eines der o.g. Kriterien die Untersuchung von 11 Genen empfohlen, für welche Erkrankungsrisiken, Empfehlungen zu Vorsorgeuntersuchungen und u.U. prophylaktische Maßnahmen etabliert wurden: BRCA1, BRCA2, ATM, BARD1, BRIP1, CDH1, CHEK2, PALB2,  RAD51C, RAD51D und TP53. Zusätzlich werden weitere Gene untersucht, für die eine Assoziation mit dem Familiären Brust- und Eierstockkrebs im Rahmen einer syndromalen Erkrankung besteht (PTEN, STK11).

Wird in der Genanalyse der Nachweis einer krankheitsverursachenden genetischen Veränderung erbracht, ist die Diagnose des familiären Brustkrebses eindeutig zu stellen. Für an Brustkrebs Erkrankte selbst bedeutet das ein erhöhtes Risiko dafür zu tragen, auch an der anderen Brust an Brustkrebs zu erkranken. Dabei spielen das betroffene Gen und das Ersterkrankungsalter eine wesentliche Rolle. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko an anderen Tumoren (z. B. Eierstockkrebs) zu erkranken. Bei Nachweis einer krankheitsverursachenden Variante können auch Familienangehörige (über 18 Jahre) auf das Vorliegen der Veränderung getestet werden, noch bevor erste klinische Symptome beobachtet werden (präsymptomatische bzw. prädiktive Diagnostik).

Erkrankung

OMIM-PORPHAGenOMIM-GVererbungPrävalenzManifestation

 

Familiärer Brust- und Eierstockkrebs

 

604370

 

145, 227535

BRCA1113705autosomal dominant, multifaktorial1-5/10.000alle Altersstufen

612555

114480

BRCA2600185autosomal dominant

INTENSIVIERTES FRÜHERKENNUNGS- UND NACHSORGEPROGRAMM

Die folgenden Untersuchungen werden im Rahmen der Früherkennung bzw. Nachsorge empfohlen:

 

Mutationen in BRCA1, BRCA2, TP53, PALB2 (Hochrisiko)

  • jährlich MRT ab dem 25. Lj. bis max. 69 Lj. (BRCA1/2 Mutationen)
  • jährlich MRT ab dem 20. Lj. bis max. 69. Lj. (TP53 Mutationen)
  • jährlich MRT ab dem 30. Lj. bis max. 70. Lj. (PALB2 Mutationen)
  • halbjährlich Sonographie
  • ab 40. Lj. ergänzende Mammographie alle 1-2 Jahre

Mutationen in ATM, CDH1, CHEK2, NBN, PTEN, BRIP1, BARD1 (Moderates Risiko)

  • jährlich MRT ab dem 30. LJ bis max. 69 Lj. 
  • jährlich Sonographie 
  • ab 40.Lj. ergänzende Mammographie alle 1-2 Jahre

Frauen aus Mutationsnegativen Familien und Risikosituation

  • jährlich MRT ab der Diagnose bis zum 49. Lj. (betroffen mit Brustkrebs; Erkrankungsalter < 46 Jahre)
  • jährlich MRT ab dem 30. LJ bis zum 49. Lj. (gesund mit erhöhtem rechnerischen Risiko)
  • jährlich Sonographie
  • ggf. ab dem 40 Lj. ergänzende Mammographie alle 1-2 Jahre
  • ab dem 50. Lj. Mammographiescreening

Nach prophylaktischer Mastektomie einmalige Nachkontrolle.

GENETIK UND HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZU BRCA1 UND BRCA2

Bisher sind mehrere Gene bekannt, die im veränderten (mutierten) Zustand ursächlich mit dem familiären Brustkrebs in Verbindung stehen, jedoch sind die beiden bedeutendsten Gene BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer 1 bzw. 2). Es handelt sich hierbei um sogenannte Tumorsuppressorgene, die für die genetische Stabilität einer eukaryotischen Zelle essentiell sind. Nach Vorlage dieser Gene werden in der Zelle Proteine gebildet, die DNA-Doppelstrangbrüche unter Ausbildung eines Proteinkomplexes mit RAD52 und PALB2 durch "homologe Rekombination" im Zellkern reparieren. DNA-Veränderungen wie Basenmodifikationen, Doppelstrang- und Einzelstrangbrüche können durch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel UV-Strahlung oder Schadstoffe im Tabakrauch, sowie im Rahmen der Zellteilungen und durch Bildung freier Radikale in der Zelle entstehen. Diese DNA-Schäden können dazu führen, dass die Verdopplung der DNA für die Zellteilung falsch erfolgt, Proteine nicht mehr bzw. falsch synthetisiert oder wichtige Chromosomenbereiche nach Doppelstrangbrüchen abgespalten werden. Werden diese Fehler in den Zellen nicht repariert, so sammeln sich in wachsenden und ruhenden somatischen Zellen so viele Fehler an, dass die normalen Zellfunktionen gestört sind und die Zellen entarten können. 

BRCA1 trägt zur Initiierung der homologen Rekombination, einem Reparaturmechanismus von DNA-Schäden, bei, indem es 53BP1 (p53-Bindungsprotein 1) verdrängt und so die Endresektion der DNA-Stränge auslöst (s. Abb. 1). Die DNA-Resektion produziert einzelsträngige DNA (ssDNA) -Schwänze, die als Initiationsstelle für die RAD51-Filamentbildung dienen. Das Laden von RAD51 wird durch das ssDNA-bindende Protein RPA und durch RAD52 erleichtert. Das RAD51-Nukleoproteinfilament vermittelt eine Suche nach Homologie innerhalb des Schwesterchromatids, das wiederum als Vorlage für die DNA-Synthese dient, um verlorene Sequenzen an der Bruchstelle wiederherzustellen und letztendlich intakte DNA zu regenerieren. Durch homologe Rekombination, Neusynthese des 2. DNA-Stranges und Verknüpfung der Stränge (Ligation) kann das geschädigte Erbgut repariert werden. Je nachdem welche DNA-Stränge bei der Reparatur geschnitten werden, kommt es zur Genkonversion oder zum Crossover des gesamten DNA Stranges, wobei bei einem Doppelstrangbruch es häufiger zu einem Crossover kommt. Bei Schädigung der BRCA-Gene ist dieser Reparaturmechanismus gestört und die Zelle greift auf weniger effektive und somit fehleranfälligere Reparaturwege, wie Einzelstrangreparatur oder nicht homologe Rekombination  zurück. 


Abbilldung 1: Schematischen Darstellung des DNA-Reparaturmechanismus eines DNA-Doppelstrangbruchs durch homologe Rekombination mit Hilfe von BRCA1 und BRCA2.



 

Neben der homologen Rekombination haben BRCA1 und BRCA2 auch weitere Aufgaben in der Regulierung des Zellzyklus. Sowohl BRCA1 als auch BRCA2 sind an der Durchsetzung des G2-Kontrollpunkts beteiligt. Während der Kernteilung fördern sie den Aufbau der mitotischen Spindel (BRCA1) und regulieren den mitotischen Kontrollpunkt (BRCA2). BRCA2 ist durch Funktionen im Mittelkörper am Abszissionsschritt der Zytokinese beteiligt. 

Pathogene Veränderungen in einem dieser Gene sind für bis zu 25 % der familiären Brust- und Eierstockkrebs-Fälle verantwortlich. Familiärer Brustkrebs wird autosomal-dominant vererbt, dies bedeutet, dass Mutationsträger*innen die krankheitsverursachende Veränderung geschlechtsunabhängig mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an alle Nachkommen weitergeben.

STUDIENINFORMATIONEN

Basierend auf einem bundesweit einheitlichen Konzept aller Zentren des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs bieten wir Ihnen eine interdisziplinäre Betreuung an, die über die Verträge der „Besonderen Versorgung“ von den meisten gesetzlichen und privaten Krankenkassen getragen werden. Wir betreuen unsere Patient*innen, Ratsuchenden und Angehörigen gemeinsam mit der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und der Radiologie in der Ambulanz im Haus 21, UniversitätsKinder- Frauenzentrum. Weitere Informationen finden Sie hier.

Unsere Studieninformationen wie auch die Einwilligungsformulare können Sie schon vor Ihrem Besuch bei uns zu Ihrer Information herunterladen und zu hause in Ruhe ausfüllen. 

Gesunde und erkrankte Trägerinnen einer krankheitsverursachenden Genveränderungen der BRCA-Gene können auch an der Lebensstil-Interventions-Studie LIBRE teilnehmen, die im Rahmen der gynäkologischen Betreuung angeboten wird. 

LITERATUR / LEITFADEN / SELBSTHILFEGRUPPE

LITERATUR

Familiärer Brust- und Eierstockkrebs: Ziegerichtete und abgestufte Präventionsstrategien. Kast, K, Wimberger P, Schröck E, Schmutzler RK. (2020) Dtsch Arztebl; 117 (33-34); doi: 10.3238/PersOnko.2020.08.17.06

LEITFADEN

Leitlinienprogramm Onkologie: S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Version 4.4, 2021

 

Selbsthilfegruppen

BRCA Netzwerk
Deutsches Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs