Geistige Entwicklungsstörung /Hirnfehlbildung
Geistige Entwicklungsstörung bezeichnet einen andauernden Zustand deutlich unterdurchschnittlicher kognitiver Fähigkeiten eines Menschen sowie damit verbundene Einschränkungen seines adaptiven Verhaltens (soziale und praktische Alltagskompetenzen) mit Auftreten vor dem 18. Lebensjahr.
Dies ist der häufigste Anlass, eine genetische Beratungsstelle aufzusuchen. Fast 3% unsere Bevölkerung zeigen eine vorübergehende oder verbleibende Störung der geistigen Entwicklung. Die Ursachen sind vielfältig und beinhalten neben äußerlichen Einwirkungen während der vorgeburtlichen bzw. früheren kindlichen Entwicklung (Infektionen, Medikamente, Genussmittel, Deprivation usw.) auch einen großen Anteil genetischer Faktoren.
Eine Vorstellung in der genetischen Sprechstunde soll das Vorliegen einer möglichen genetischen Ursache prüfen und diese ggf. nachweisen. Ausführlichen Informationen über die eigene Vorgeschichte bzw. Vorgeschichte des Kindes sowie über die Krankheitsgeschichte der Eltern, Großeltern und weiteren Verwandten (vor allem Verwandten mit ähnlichen Beschwerden) sind dabei von großer Bedeutung. In einigen Fällen wird die klinisch-genetische Beurteilung eine genetische Ursache ausschließen können. Erscheint eine genetische Ursache aber wahrscheinlich, werden zunächst standardisierte Laboruntersuchungen veranlasst. Diese beinhalten eine Molekulare Karyotypisierung, eine Testung auf das Fragile-X-Syndrom sowie eine Exom-Sequenzierung mit Auswertung eines individuell angepassten Gen-Panels. Kann bei der genetischen Beratung und Analyse der vorliegenden Befunde eine gezielte Verdachtsdiagnose erarbeitet werden, wird eine gezielte Untersuchung zur Überprüfung der klinischen Diagnose veranlasst. Beim Vorliegen der Ergebnisse (Basisdiagnostik ca. 12 Wochen) wird ein zweiter Termin zur Befundbesprechung vereinbart. Sollte keine Diagnosestellung gelingen, aber eine genetische Ursache sehr wahrscheinlich sein, besteht die Möglichkeit einer weiterführenden Diagnostik mittels Trio-Ganz-Exom-Sequenzierung, die im Rahmen verschiedener Studien an unserem Institut durchgeführt wird.
WARUM SOLLTE MAN DIE GENETISCHE URSACHE KENNEN, WENN ES KEINE THERAPIE GIBT?
Die wichtigsten Vorteile der genauen Diagnosestellung:
- genaue Planung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen
- genaue Aussage bzgl. des Wiederholungsrisikos
- gezielte genetische Analyse für weitere Familienangehörige
- Vorbeugung der nicht indizierten diagnostischen Untersuchungen (Ende der diagnostischen Odyssee)
- Teilnahme an klinischen Studien in der näheren Zukunft
- Für einige Patienten wird eine spezifische Therapie sofort möglich sein.
Eine genetische Beratung ist daher für jede Familie mit Kind oder Erwachsenem mit auffälliger geistiger Entwicklung indiziert. Unter Anwendung moderner Methoden gelingt die Ursachenklärung für 50% der Familien.
Wir bitten Sie uns folgende Unterlagen im Vorfeld zukommen zu lassen bzw. zur Beratung mitzubringen:
- die bisher vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Befunde, Ergebnisse der erfolgten Entwicklungsdiagnostik oder Intelligenztestung
Klinische Fallbesprechungen
Jeder Patient wird im Rahmen der wöchentlichen Fallkonferenz am Institut für Klinische Genetik besprochen. Somit wird die Expertise aller ärztlicher Mitarbeiter einbezogen. Zusätzlich findet monatlich eine gemeinsame Fallkonferenz mit den ärztlichen Kollegen der Abteilung Neuropädiatrie sowie des Sozialpädiatrischen Zentrums des Universitätsklinikums statt.