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Li-Fraumeni-Syndrom (LFS)

Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) gilt als eines der aggressivsten derzeit bekannten Krebsprädispositionssyndrome. Betroffene Menschen haben ein sehr hohes Krebsrisiko - fast alle erhalten im Laufe ihres Lebens eine Krebsdiagnose, einige sogar mehrfach. Viele erkranken bereits jung, als Kinder oder Jugendliche.

Typische Krebsarten, an denen Patient*innen mit Li-Fraumeni-Syndrom erkranken, sind Weichteilsarkome, Osteosarkome, Brustkrebs, Hirntumore und adrenokortikale Karzinome.

Die Diagnose LFS wird bei einem Probanden gestellt, der ALLE DREI klassischen klinischen Kriterien erfüllt und/oder eine heterozygote pathogene Keimbahnvariante von TP53 aufweist. Klassische klinische Kriterien sind:

  • Ein Proband mit einem Sarkom, das vor dem Alter von 45 Jahren diagnostiziert wurde und
  • Ein Verwandter ersten Grades mit einer Krebserkrankung, die vor dem Alter von 45 Jahren diagnostiziert wurde und
  • Ein Verwandter ersten oder zweiten Grades mit einer Krebserkrankung, die vor dem Alter von 45 Jahren diagnostiziert wurde, oder mit einem Sarkom, das in einem beliebigen Alter diagnostiziert wurde

Bei Vorliegen einer dieser klinischen Konstellationen sollte dem Patienten eine TP53-Mutationsanalyse angeboten werden:

  • Familiäre Präsentation: Proband mit einem Tumor des LFS-Tumorspektrums (prämenopausaler Brustkrebs, Weichteilsarkom, Hirntumor, adrenokortikales Karzinom [ACC]) vor dem 46. Lebensjahr und mindestens einem erst- oder zweitgradig Verwandten mit einem LFS-Tumor (außer Brustkrebs, wenn der Proband selbst Brustkrebs hat) vor dem 56. Lebensjahr oder mit multiplen Tumoren.
  • Multiple Tumoren: Proband mit mehreren Tumoren (außer mehrfacher Brustkrebs) vor dem 46. Lebensjahr, von denen zwei in das LFS-Spektrum gehören.
  • Seltene Tumoren: Patienten mit ACC, Choroid-Plexus-Karzinom, Rhabdomyosarkom vom embryonalen anaplastischen Subtyp, unabhängig von der Familienanamnese.
  • Brustkrebs vor dem 31. Lebensjahr.

VERERBUNG UND HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZU p53

Das LFS wird autosomal-dominant vererbt und zeigt dabei eine variablere Penetranz als bisher angenommen. Die Prävalenz des LFS liegt bei etwa 1:5.000 mit einer hohen interregionalen Varianz. Menschen mit LFS haben Veränderungen des Erbguts in einer der beiden elterlichen Kopien des TP53-Gens, das für das p53-Protein kodiert.

Abbildung 1: Substrate der Phosphorylierung von p53. Die Darstellung verdeutlicht, wie viele Gene von p53 reguliert werden, obwohl nur die wichtigsten dargestellt wurden (modifiziert von Kaina B. & Christmann M, Der Onkologe (2011)

p53 interagiert mit Dutzenden von Genen und kontrolliert darüber den Status der Zellen (Abb. 1). Zum einen fördert p53 die zelleigene Reparatur des Erbguts (DNA), wodurch DNA-Schädigungen beseitigt werden. Das Protein kann aber auch die Zellteilung stoppen, damit mögliche Schädigungen nicht an Tochterzellen weitergegeben werden. Falls das Erbgut extrem geschädigt ist, aktiviert p53 ein zelleigenes Selbstmordprogramm (Apoptose), durch das eine bösartig entartete Zelle getötet wird. Deshalb nennt man p53 auch "Wächter des Genoms".

p53 ist ein sequenz-spezifischer, DNA-bindender Transkriptionsfaktor, der unter normalen Bedingungen in ruhenden Zellen nur in sehr geringen intrazellulären Konzentrationen vorkommt. Dies wird durch eine kontinuierliche chemische Modifizierung von p53 durch seinen Suppressor MDM2 erreicht, die dazu führt, dass gebildetes p53 ständig wieder abgebaut wird (Abb. 2). 

DNA-Schädigungen, z.B. durch ionisierende Strahlung oder Chemotherapie, metabolischer Stress (z.B. oxidativer Stress oder Hypoxie) oder die Aktivierung von Onkogenen unterbinden die chemische Modifizierung von p53 und somit den Abbau des Proteins. Es akkumuliert in der Zelle und lagert sich im Zellkern zu stabilen Tetrameren (Komplex bestehend aus vier gleichen Einheiten) zusammen, die an die DNA binden, die Bildung weiterer Proteine stimulieren und diverse zellinterne Prozesse regulieren.

Abbildung 2: Schematische Darstellung des p53-Signalweges.

In etwa 70 Prozent der Fälle mit Li-Fraumeni Syndrom kann eine Keimbahnmutation im TP53-Gen nachgewiesen werden. Ein Großteil der inzwischen gefundenen Veränderungen ist dabei im Bereich hochkonservierter Regionen in den Exons 5 bis 9 lokalisiert. Besonders häufig sind die Codons 175, 245, 248, 273 und 282 betroffen. Dabei machen Punktmutationen im TP53-Gen insgesamt über 80 Prozent aller Veränderungen aus.

FRÜHERKENNUNG

Es wurden Überwachungsrichtlinien für Erwachsene und Kinder mit LFS entwickelt, die weitgehend auf dem "Toronto-Protokoll" basieren:

Kinder und Jugendliche (Geburt bis 18 Jahre)Erwachsene (ab 18 Jahre)
Eingehende körperliche Untersuchung alle 3–4 MonateVollständige körperliche Untersuchung alle 6 Monate
Sofortige kinderärztliche Untersuchung bei neu aufgetretenen medizinischen ProblemenSofortige Erfassung medizinischer Probleme durch Hausarzt oder Internist
Ultraschall des Abdomens und Beckens alle 3–4 MonateJährlich Ultraschall des Abdomens und Beckensa
Blutuntersuchung nur bei fehlender Ultraschallverfügbarkeit und unzureichender Bildqualität durchführenUntersuchung des Magen-Darm-Trakts alle 2–5 Jahre ab 25. Lebensjahr
Jährliche MRT des KopfesJährliche MRT des Kopfes
Jährliche Ganzkörper-MRTJährliche Ganzkörper-MRTa
Jährliche hautärztliche Untersuchung 
Zusätzlich bei Frauen:
Risikobewusstsein für Brustkrebs
Klinische Brustuntersuchung 2‑mal jährlich ab 20. Lebensjahr
Jährliches Brust-MRT-Screening (20.–75. Lebensjahr)a

aDie Brust-MRT sowie Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane und des Beckens sollten sich mit der jährlichen Ganzkörper-MRT abwechseln (mindestens ein Scan alle 6 Monate)

 (Quellen: Biochemical and imaging surveillance in germline TP53 mutation carriers with Li-Fraumeni syndrome: 11 year follow-up of a prospective observational study. Villani A, Shore A, Wasserman JD, Stephens D, Kim RH, Druker H, Gallinger B, Naumer A, Kohlmann W, Novokmet A, Tabori U, Tijerin M, Greer ML, Finlay JL, Schiffman JD, Malkin D.  Lancet Oncol. 2016;17:1295–305.;  Cancer screening recommendations for individuals with Li-Fraumeni syndrome. Kratz CP, Achatz MI, Brugieres L, Frebourg T, Garber J, Greer MLC, Hansford JR, Janeway KA, Kohlmann WK, McGee R, Mullighan CG, Onel K, Pajtler KW, Pfister SM, Savage SA, Schiffman JD, Schneider KA, Strong LC, Evans DGR, Wasserman JD, Villani A, Malkin D.  Clin Cancer Res. 2017;23:e38–45.;  NCCN. The National Comprehensive Cancer Network Clinical Practice Guidelines® in Oncology: Li-Fraumeni syndrome (Version 1.2015). ©2015 National Comprehensive Cancer Network, Inc. 2019. )

LITERATUR / LEITLINIE / SELBSTHILFEGRUPPE

LITERATUR

Li-Fraumeni Syndrome. Katherine Schneider, Kristin Zelley, Kim E Nichols, Judy Garber. GeneReviews® [Internet].

Guidelines for the Li-Fraumeni and heritable TP53-related cancer syndromes. Frebourg TLagercrantz SBOliveira CMagenheim  REvans DGEuropean Reference Network GENTURIS. Eur J Hum GenetOct;28(10):1379-1386 (2020).  doi: 10.1038/s41431-020-0638-4

Ein Update zum Li-Fraumeni-Syndrom. Dutzmann CM, Vogel J, Kratz CP, Pajtler KW, Pfister SM, Dörgeloh BB. , Der Pathologe volume 40, 592–599 (2019)

Biochemical and imaging surveillance in germline TP53 mutation carriers with Li-Fraumeni syndrome: 11 year follow-up of a prospective observational study. Villani A, Shore A, Wasserman JD, Stephens D, Kim RH, Druker H, Gallinger B, Naumer A, Kohlmann W, Novokmet A, Tabori U, Tijerin M, Greer MLC, Finlay JL, Schiffman JD, Malkin D. Lancet OncolSep;17(9):1295-305 (2016)

LEITLINIEN

 Cancer Screening Recommendations for Individuals with Li-Fraumeni Syndrome. Kratz CP, Achatz MI, Brugières L, Frebourg T, Garber JE, Greer MLC, Hansford JR, Janeway KA, Kohlmann WK, McGee R, Mullighan CG, Onel K, Pajtler KW, Pfister SM, Savage AS, Schiffman JD, Schneider KA, Strong LC, Evans DGR, Wasserman JD, Villani A, Malkin D. Clin Cancer Res. Jun 1;23(11):e38-e45 (2017)

NCCN. The National Comprehensive Cancer Network Clinical Practice Guidelines® in Oncology: Li-Fraumeni syndrome (Version 1.2015). ©2015 National Comprehensive Cancer Network, Inc. 2019. 

SELBSTHILFEGRUPPE

https://lfsa-deutschland.de/