Januar 2017 - Das PsychVVG tritt in Kraft
Was heißt PsychVVG?
Ausgeschrieben bedeutet PsychVVG: „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“. Mit dem 2016 verabschiedeten Gesetz und dem damit verbundenen Abrechnungssystem soll eine höhere Transparenz bzgl. der erbrachten Leistungen und eine leistungsgerechtere Vergütung erreicht und die sektorenübergreifende Behandlung in der psychiatrischen Versorgung gefördert werden. Der Grundsatz „einheitliche Preise für gleiche Leistungen“ (auf Länderebene) wird mit dem PsychVVG zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung von leistungsbezogenen, strukturellen (regionalen) Besonderheiten aufgegeben.
Woher kommt PsychVVG und wie wird es umgesetzt?
In 2003 wurde in den somatischen Fachbereichen das DRG-Entgeltsystem eingeführt, wobei die psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken dabei zunächst außen vor blieben. 2009 begannen dann die Vorbereitungen für die Einführung des äquivalenten Psych-Entgeltsystems, basierend auf der „Vereinbarung über die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik gem. §17d KHG“ vom 30.11.2009. Mit dem „Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PEPP)“ vom 21.07.2012 sollten dann die weiteren konkreten Regelungen und Schritte für die Ausgestaltung des Psych-Entgeltsystems geschaffen werden.
PEPP beinhaltet dabei zwei Komponenten: das Patientenklassifikationssystem (Fallgruppen) und das darauf aufbauende tagesbezogene Vergütungssystem, welches über für bestimmte Fallgruppen ermittelte Relativgewichte und einen s.g. Basisentgeltwert die Vergütung der Behandlungsfälle bestimmt. Die notwendige empirische Datenbasis für die Entwicklung des PEPP-Systems liefern seit 2010 bundesweit alle Psych-Kliniken mit ihrer Leistungsbeschreibung und zusätzlich eine Gruppe von Krankenhäusern (die sogenannten „Kalkulationshäuser“), die dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) fortlaufend Daten zu den Gesamtkosten der Behandlung pro Patient und Tag senden. Daraus entwickelt das InEK relative Vergütungsstufen entsprechend dem Behandlungsaufwand. Als Grundlage für die Kalkulation des PEPP-Entgeltkatalogs von 2019 dienten z.B. die zugelieferten Daten von 112 Einrichtungen.
Ursprünglich sollte die Anwendung des PEPP-Systems ab 2015 verpflichtend für alle Einrichtungen sein, wurde aber nach anhaltender und vielstimmiger Kritik erst um weitere zwei Jahre verschoben und schließlich vom Gesetzgeber inhaltlich überarbeitet. Im Zuge der Neuausrichtung des PEPP-Systems trat folgerichtig am 01.01.2017 als Weiterentwicklung das PsychVVG in Kraft, welches u.a. erstmals die stationsäquivalente Behandlung im häuslichen Umfeld vorsieht und das pauschalierende Preissystem von PEPP durch (Wieder-)Einrichtung eines Budgetsystems revidiert. Die vom InEK kalkulierten bundeseinheitlichen Bewertungsrelationen (PEPP-Entgeltkatalog) für die einzelnen Fälle bleiben dabei Basis des Entgeltsystems. Die Kliniken verhandeln nun mit aber wieder mit den Kassen auf Ortsebene ihren individuellen Basisentgeltwert (und damit das Gesamtbudget), womit besonders auf die Besonderheiten der regionalen Versorgungssituation reagiert werden kann.
Für die Sicherstellung der Versorgungsqualität hat der Gesetzgeber außerdem mit Erlass des PsychVVG den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beauftragt, ab 2020 verbindliche Mindestvorgaben zur personellen Ausstattung und damit leitliniengerechten Behandlung von Patienten in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen festzulegen.
Ab dem 01.01.2018 wurde der Einstieg in das neue Entgeltsystem für alle Psych-Krankenhäuser verbindlich, d.h. der PEPP-Entgeltkatalog muss mittlerweile bundesweit in den Einrichtungen für Psychiatrie und Psychosomatik für die Abrechnung stationärer und teilstationärer Leistungen angewendet werden. Bis einschließlich 2019 ist noch übergangsweise die budgetneutrale Umsetzung des Psych-Entgeltsystems vorgesehen. Die ökonomische Wirksamkeit des neuen Vergütungssystems nach PsychVVG beginnt daher erst ab 2020 ihr volle Wirkung zu entfalten, wenn die neue Budgetsystematik vollständig in den Verhandlungen auf Ortsebene greift und die Mindestvorgaben des GBA zur Personalausstattung verbindlich in den Kliniken umgesetzt werden müssen.
Was bedeutet das für uns als Klinik?
Wir als KJP sind mit Beginn des Jahres 2016 in das neue Psych-Entgeltsystem eingestiegen und setzen seither die inhaltlichen Vorgaben zu Dokumentation und Abrechnung kontinuierlich um. Außerdem liefern wir als Grundlage für den bundesweiten Krankenhausvergleich viele anonyme Daten zu unseren Patienten, Diagnosen, Verweildauern usw. an das InEK. Um z. B. den Versorgungsaufwand im Bereich der KJP zu erfassen, dokumentieren unsere Mitarbeiter des Pflege- und Erziehungsdienstes seit März 2018 für jeden Tag und jeden (teil-)stationären Patienten die s.g. „Betreuungsintensität“ in 5 vorgegebenen Kategorien.
Wie prognostiziert, ist mit dem Einstieg in das neue Vergütungssystem auch die Zahl der Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) zu unseren Abrechnungen gestiegen. Waren es im Jahr 2016 noch 27 Anfragen zu den stationären und teilstationären Abrechnungsfällen, so ist die Zahl der MDK-Anfragen bereits im Jahr 2017 auf 38 gestiegen und auch 2018 auf diesem Niveau geblieben. Es zeigt sich dabei, dass der Schwerpunkt der Prüfungen auf primärer (stationäre statt ambulanter Behandlung) und sekundärer (Verweildauer) Fehlbelegung liegt. Große Bedeutung bei MDK-Prüfungen hat auch die Vergütung über s.g. Ergänzende Tagesentgelte, die bei Patienten in Intensiver Einzelbetreuung anfallen. Um unsere (teil-)stationären Abrechnungen revisionssicher zu gestalten, begleiten und prüfen wir daher die Leistungscodierung und Dokumentationsqualität aller Berufsgruppen fortlaufend und schulen die Mitarbeiter intensiv im Hinblick auf die Erfordernisse einer detaillierten, PEPP-konformen Dokumentation. Die vom PsychVVG angestrebte Reduktion des bürokratischen (Dokumentations-)Aufwands im PEPP-System durch die jährliche Überprüfung und Fortschreibung des OPS-Katalogs hat bisher leider keine spürbaren Erleichterungen für die tägliche stationäre Praxis gezeigt.
Um die gestiegenen Anforderungen an Dokumentation und Abrechnung im Zuge der Einführung des neuen Vergütungssystems zu bewältigen, hat unsere Klinik bereits 2013 mit der Umstellung auf die komplette elektronische Krankenakte begonnen. Dieser Umstieg ist mittlerweile, auch dank einer umfangreichen Aufrüstung im EDV-Bereich, abgeschlossen. Alle patientenrelevanten Dokumente werden nun zentralisiert in der Patientendatenbank ORBIS verwaltet und gewährleisten somit schnelle Verfügbarkeit von jedem PC aus und eine verbesserte Datenqualität. Für den schnellen Überblick und Datenzugriff wurden außerdem in den letzten Jahren verschiedene Module für ORBIS entwickelt, die die dokumentierenden Mitarbeiter zusätzlich unterstützen.
Dank der Anstrengungen der vergangenen Jahre fühlen wir uns bestmöglich für die zu erwartenden Anforderungen, die aus dem PsychVVG resultieren, gerüstet. Wir als Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie tun alles dafür, um auch unter möglicherweise erschwerten ökonomischen Bedingungen ab 2020 weiterhin die hohe Qualität in Diagnostik und Therapie unserer jungen Patienten beibehalten zu können.