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Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten


Einleitung

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten zählen zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen (1 : 750 Neugeborene). Heute gibt es moderne, ausgereifte Behandlungsmethoden, diese Fehlbildungen zu korrigieren und Funktionen, wie Ernährung, Sprache und Gehör zu normalisieren. Spätestens zur Einschulung sind so möglichst alle Voraussetzungen geschaffen, um die weitere ungestörte Entwicklung des Kindes in der normalen Schulumgebung zu gewährleisten. Unterschiede zu gleichaltrigen Mitschüler*innen sollen dann kaum noch auffallen.

Dieses Ziel erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Eltern und unserem erfahrenen Behandlungsteam, bestehend aus verschiedenen Fachbereichen: Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, HNO/ Phoniatrie/ Pädaudiologie, Kieferorthopädie und Logopädie. Wir treffen uns regelmäßig in der Spaltsprechstunde und vereinbaren neben den erforderlichen Operationen regelmäßige Kontrolltermine, um die Entwicklung Ihres Kindes zu verfolgen und um rechtzeitig, z.B. mit einer Behandlung von Sprachentwicklungsstörungen oder Zahnfehlstellungen zu beginnen.

Die Informationen auf dieser Homepage geben nur einen Überblick und wir möchten Sie ermutigen, das persönliche Gespräch in unserer Spaltsprechstunde zu suchen. 


Ansprechpartner

Interdisziplinäre Spaltsprechstunde

Freitags alle 14 Tage  Ambulanz für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie                                     

Tel.:           0351 458-2710

Sekretariat: Frau Schink                                      

Tel.:            0351 458-3382

Fax:            0351 458-5382

email:         mkg-chirurgie@uniklinikum-dresden.de


Selbsthilfevereinigungen

 

IFUS e.V. Initiativvereinigung zur Förderung und Unterstützung für Spaltträger

www.spaltkind.de

Selbsthilfevereinigung für Lippen-Gaumen-Fehlbildungen e.V.

Wolfgang Rosenthal Gesellschaft

lkg-selbsthilfe.de


Was ist eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalte und wie entsteht sie?

Die angeborene Fehlbildung kann nur in der Lippe, oder in Lippe und Kiefer oder nur im Gaumen auftreten. Hier wird noch in Spalten des harten und/oder des weichen Gaumens unterschieden. Weiterhin können sowohl Lippe, Kiefer als auch Gaumen betroffen sein. Man spricht dann von einer sogenannten durchgehenden Spalte. Die Spalten sind nur auf einer Seite (rechts oder links) oder auf beiden Seiten; sie können nur angedeutet (Mikroform), unvollständig (z.B. Lippenspalte, die in der Oberlippe endet) oder vollständig (bis in den Naseneingang) sein.   

Insgesamt werden vier Spaltabschnitte unterschieden: 

  1. -  Lippe (Oberlippe einschließlich Naseneingang)
  2. -  Kiefer (vorderer zahntragender Oberkieferanteil, der sog. Kieferkamm)
  3. -  harter Gaumen (Gaumendach mit Nasenboden)
  4. -  weicher Gaumen (Gaumensegel; vom Hinterrand des harten Gaumens bis zum Zäpfchen)                   

Bei verdeckten, sogenannten submukösen Spalten ist das Ausmaß der Spaltbildung oft nicht erkennbar. Hier ist der weiche Gaumen zwar mit Schleimhaut verschlossen, aber die darunterliegende Muskulatur nicht verwachsen. Bleibt die Behandlung dieser submukösen Gaumenspalte aus, sind Sprechstörungen und Belüftungsstörungen des Mittelohres mit eventuell sich daraus entwickelnder Schwerhörigkeit die Folge. Deshalb müssen auch die submukösen Gaumenspalten wie offene Spaltformen operiert werden.

Spaltbildungen im Bereich des Kieferkammes können zum Fehlen oder zu Fehlbildungen, insbesondere des seitlichen Schneidezahnes führen. Zusätzlich können die Zahnkeime schräg im Knochen liegen und im Durchbruch behindert werden. Hier ergibt sich die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung.

Form und Ausprägung der Spaltbildung werden einerseits durch den zeitlich versetzten Entwicklungsverlauf von Lippe, Kiefer und Gaumen andererseits durch Art, Schwere und Zeitpunkt der einwirkenden Störung in der frühen Schwangerschaft bestimmt

Viele Ursachen werden für die Spaltentstehung vermutet; sie sind im Einzelnen noch nicht genau erforscht. Heute wird das Zusammentreffen äußerer Faktoren, wie z.B. Umwelteinflüsse, und innerer Faktoren angenommen. Da wahrscheinlich mehrere Faktoren zusammentreffen, spricht man von einer multifaktoriellen Genese. Dabei spielen Sauerstoffmangel, Erkrankungen und Medikamenteneinnahme der Mutter während der Schwangerschaft, Mangel- und Fehlernährung oder Stress sowie psychische Belastung eine Rolle. Auch Alkohol, Nikotin und Drogen haben einen schädigenden Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. In den Letzten Jahren wurde ein Mangel an bestimmten Zellbotenstoffen im Kind als mögliche Ursache erforscht.

Die erbliche Bereitschaft spielt sicherlich auch eine gewisse Rolle, wenn bereits Lippen-Kiefer-Gaumenspalten in der Familie bekannt sind. Es ist aber nicht in jedem Fall mit dem erneuten Auftreten einer Spaltbildung zu rechnen, sondern in ca. 15-30 %. Bei weiterem Kinderwunsch nach der Geburt eines Kindes mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist eine genetische Beratung angeraten, die wir gern vermitteln.

Durch eine gesunde Lebensweise mit einer ausgewogenen Ernährung und das Vermeiden schädlicher Substanzen und unnötiger Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft kann das Risiko für eine Spaltbildung reduziert werden. 


Ernährung

Stillen ist auch bei Kindern mit Spaltbildung meist möglich. Aber dafür wird mehr Zeit, Ausdauer und Geduld benötigt. Bei einer alleinigen Lippenspalte kann man den Finger zum Ausgleich für den fehlenden Lippenschluss verwenden. Der Kopf des Babys sollte aufrecht gehalten werden, um ein nahezu vollständiges Abdecken der Spalte zu erreichen und ein kräftiges Saugen zu ermöglichen.

Bei einer alleinigen Gaumenspalte ist das Stillen ebenfalls meist problemlos. Auch hier sollte der Kopf des Babys aufrecht gehalten werden, um ein Abfließen der Milch in die Nase zu vermeiden.

Schwieriger ist das Stillen von Kindern mit einer durchgehenden Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Mit einer Gaumenplatte, die in den ersten Lebenstagen angepasst wird, kann es meist erleichtert werden.

Bei der Ernährung mit der Flasche eignet sich meist ein normaler handelsüblicher Sauger, dessen Öffnung zum Erleichtern des Trinkens durch einen Kreuzschnitt erweitert wird. Man kann auch noch zwei zusätzliche Löcher in einer Dreieckform anbringen. Sollten dennoch Probleme auftreten, besteht die Möglichkeit, Sauger in Überlänge oder in Übergröße, wie den „Habermann-Sauger“ zu verwenden und die Fördermenge durch vorsichtiges Drücken auf den Sauger zu vergrößern.

Die Ernährung von Kindern mit Spalten dauert immer deutlich länger als bei Kindern ohne Spaltbildung, unabhängig davon, ob gestillt wird oder die Ernährung mittels Flasche erfolgt. Wir möchten trotz der Schwierigkeiten zum Stillen ermutigen, da das Kind so eine ausgewogene Ernährung bekommt und durch das Training der Muskelfunktion die Umstellung nach dem operativen Spaltverschluss erleichtert wird.

Unmittelbar nach den Operationen ist es in den meisten Fällen günstig, die Ernährung über eine Ernährungssonde durchzuführen. Da aber das Schlucken für das Muskeltraining wichtig ist, wird versucht, diese Zeit möglichst kurz zu halten. Daumen-, Finger- und Handlutschen sind ungünstig für die Entwicklung des Kiefers und sollten, wenn überhaupt erforderlich, durch einen kiefergerechten Schnuller ersetzt werden.


Wie erfolgt die Therapie?

Operationen

Verschluss der Lippenspalte

Der Verschluss der Lippenspalte wird im Alter von 4-6 Monaten durchgeführt. Das Kind wiegt zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 5 kg oder mehr, ein Gewicht, das die Narkoseärzte als ausreichend für eine mehrstündige Operation ansehen. Gelegentlich vorkommende Begleiterkrankungen (z.B. Herzfehler, Stoffwechselstörungen, Lungenerkrankungen u.ä.) oder Frühgeburtlichkeit können eine Verschiebung des Termins erfordern.

Beim Lippenspaltverschluss führen wir die Rekonstruktion nach der Methode von Delaire durch, welche als Grundprinzip eine Stimulation des Wachstums der Mittelgesichtsregion hat. Es werden die spaltseitigen Anteile der Lippe (Haut, Schleimhaut) vereinigt und durch die Wiederherstellung des ringförmigen Verlaufs der Mund- und Gesichtsmuskulatur eine normale Funktion der Lippe und der Nasenregion erreicht. Der Hautschnitt wird mit einem sogenannten Läppchenaustausch durchgeführt. Gleichzeitig wird die Nase geformt, die Nasenscheidewand in die Gesichtsmitte eingestellt, die Nasenspitze angehoben, der Nasenboden und der Naseneingang gebildet und der zur Seite abgewichene Nasenflügel in die richtige Position gebracht. Die Innenseite der Lippe wird ebenfalls verschlossen. Es wird ein Mundvorhof gebildet und die Kieferspalte mit Schleimhaut abgedeckt (Gingivaperiostplastik).

Werden durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt Hörschwierigkeiten bemerkt, ist eine mikroskopische Untersuchung des Mittelohres und falls nötig eine Drainage durch ein sog. Paukenröhrchen erforderlich.                         

Die Kinder können am ersten Tag nach der Operation schon gestillt werden. Vorsorglich wird eine Ernährungssonde für 2 Tage gelegt. Die Hautfäden werden in der Regel nach 5 Tagen entfernt. Die Narbenbildung kann zu einer Verkürzung der Oberlippe auf der Spaltseite führen, welche sich durch die funktionelle Beanspruchung im Verlauf normalisiert. Durch sanfte Massage der Narbe kann dies unterstützt werden.

Verschluss des harten und weichen Gaumens

Der Verschluss der Gaumenspalte ist wichtig für Nasenatmung, Nahrungsaufnahme, Mittelohrbelüftung, Formung des Gaumendaches und Lautbildung. Für eine ungehinderte Sprachentwicklung soll der Gaumen frühzeitig verschlossen werden, aber die Narbenbildung nach der Operation kann möglicherweise das Wachstum des Oberkiefers hemmen. Jedoch zeigen eigene Untersuchungen wie auch Studien anderer, dass ein anatomisch korrekter Verschluss mit Vereinigung von Muskulatur, Nasen- und Mundschleimhaut keine negativen Einflüsse hat. Im Gegenteil, die Formung des Gaumens und die Entwicklung des Sprechens werden eher gefördert. Deshalb verschließen wir an unserem Spaltzentrum den harten und weichen Gaumen in einer Operation im Alter von 9-12 Monaten. Die von uns verwendete Technik beruht auf den Methoden von von Langenbeck, Veau, Axhausen und Widmaier. 

Beim Gaumenspaltverschluss werden die Nasenschleimhaut und die Mundschleimhaut beider Spaltseiten miteinander vereinigt. Ziel der Operation ist die Wiederherstellung des Ringmuskelsystems von Gaumensegel und Rachen. Dadurch wird der Nasenraum beim Schlucken und Sprechen abgedichtet und das Mittelohr durch die Anspannung des Gaumensegels belüftet. Beim Gaumenverschluss wird kein körperfremdes Material eingesetzt, sondern die Schleimhaut und Muskulatur aus der Umgebung gelöst und vernäht. Es werden selbst auflösende Fäden verwendet, so dass sich eine Nahtentfernung erübrigt. 

Verschluss der Kieferspalte

Durch die Gingivaperiostplastik beim Lippenspaltverschluss (d.h. die Überdeckung der Kieferspalte mit Schleimhaut) kommt es meist zu einer Knochenbildung in der Kieferspalte. Sollte das nicht der Fall sein, ist eine Verpflanzung von Beckenknochen notwendig. Abhängig vom Zahnwechsel wird der Operationstermin mit dem behandelnden Kieferorthopäden abgesprochen und ebenso wie die Entfernung überzähliger Zähne oder versprengter Zahnanlagen. Ein günstiger Zeitpunkt ist kurz vor dem Durchbruch des bleibenden Eckzahnes (8.-11. Lebensjahr), damit dieser dann in die Lücke bewegt werden kann und ein knöchernes Lager vorfindet.

Korrekturoperationen

Vor der Einschulung sind die meisten Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten vollständig rehabilitiert, d.h. es liegt ein unauffälliges Äußeres vor. Bei wenigen Kindern ist allerdings trotz exakter Wiederherstellung des Muskelringes im Gaumenbereich und trotz Sprechtherapie die Lautbildung verändert. Es tritt ein offenes Näseln (Rhinophonia aperta) infolge einer Störung der Abschlussfunktion des Gaumensegels zwischen Nasen- und Rachenraum auf. Hier empfiehlt sich eine sprechverbessernde Operation (Velopharyngoplastik), bei der ein Schleimhaut-Muskellappen aus der Rachenhinterwand zur Verlängerung und Zügelung in den weichen Gaumen eingelagert wird.

Bei sehr breiten Spalten oder bei individueller Veranlagung zur Narbenbildung können prominente Narben in der Oberlippe entstehen. Hier können durch kleine Narbenkorrekturen, ebenfalls vor der Einschulung, günstigere Ergebnisse erzielt werden.

Bei ausgedehnten doppelseitigen Spalten verbleibt gelegentlich ein zu kurzer Nasensteg mit einer Abflachung der Nasenspitze. In diesen Fällen kann unter Einbeziehung der vorhandenen Narben Gewebe aus der Oberlippe genutzt werden, um den Nasensteg zu verlängern, die Nasenspitze aufzurichten, die Nasenflügel einander anzunähern und die Nase insgesamt zu verschmälern. Solche ästhetischen Korrekturen sollten nach Möglichkeit erst nach Abschluss des Wachstums (16.-18. Lebensjahr) durchgeführt werden.

Bei einseitigen Spalten kann es zu einem asymmetrischen Wachstum der Nase kommen, sodass ebenfalls im Erwachsenenalter eine Nasenkorrektur notwendig wird.

Dank unserer modernen Operationsverfahren kommt es bei nur einigen Patienten aufgrund einer Wachstumshemmung zu einer unzureichenden Entwicklung des Mittelgesichts. Allein mit kieferorthopädischen Mitteln ist es dann nicht möglich, ein harmonisches Größenverhältnis von Ober- und Unterkiefer zu schaffen. Nach Abschluss des Wachstums wird dann eine operative Verlagerung der Kiefer notwendig. Nach entsprechender kieferorthopädischer Vorbehandlung zur Ausformung der Zahnbögen erfolgen eine Vorverlagerung des Oberkiefers und gegebenenfalls zusätzlich eine Rückverlagerung des Unterkiefers, um eine korrekte Verzahnung zu erzielen. Sind deutliche Größenunterschiede vorhanden, z.B. bei extremer Rücklage des Mittelgesichts, wird heute das moderne Verfahren der Osteodistraktion mit gutem Erfolg benutzt. Die neue Bisssituation muss nach der Operation durch kieferorthopädische Apparaturen noch über eine längere Zeit stabilisiert werden.

HNO/ Phoniatrie/ Pädaudiologie

Über die Ohrtrompete, auch „Tube“ oder „Eustachische Röhre“ genannt, - eine Verbindung zwischen Nasenrachen und Mittelohr – erfolgen die Belüftung des Mittelohres und ein Druckausgleich zwischen Nasenrachen und Mittelohr. Die Funktion dieser Ohrtrompete kann durch eine vergrößerte Rachenmandel, die sich im Nasenrachen befindet, oder durch ein nicht voll funktionsfähiges Gaumensegel, wie es oftmals beim Spaltkind trotz erfolgreicher Operation vorliegt (zu kurzes oder infolge von Narben zu wenig bewegliches Gaumensegel), beeinträchtigt werden. Folgen einer Tubenbelüftungsstörung können ein Unterdruck im Mittelohr und die Bildung eines Mittelohrergusses sein. Dadurch wird eine Hörminderung bedingt. Die Hörminderung kann schwanken und das Kind kann Probleme mit der akustischen Wahrnehmung haben, ohne dass dies von seinen Eltern bemerkt wird. Regelmäßige ärztliche Kontrollen des Hörvermögens sind daher erforderlich. Bei Vorliegen einer Belüftungsstörung kann diese durch den Einsatz von kleinen Röhrchen, sog. Paukenröhrchen, in das Trommelfell behoben werden. Der Druckausgleich erfolgt dann über dieses Röhrchen zwischen Mittelohr und Gehörgang.

Ein normales Hörvermögen ist die Voraussetzung für eine normale sprachliche Entwicklung. Bei einer unbemerkten Hörstörung kann es zu einer verzögerten, nicht altersgerechten Sprachentwicklung kommen. Der Wortschatz erweitert sich nur wenig und Lautfehler treten auf, da das Kind Klangunterschiede in der Lautbildung nicht erkennen kann. Hilfreich für das Kind ist ein guter sprachlicher Umgang zu Hause, d.h. deutliche Aussprache, angemessenes Sprechtempo, Erziehung zu Blickkontakt und akustischer Aufmerksamkeit in ruhiger Atmosphäre unter Vermeidung störender Nebengeräusche.

Logopädie

Da von der Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Spalte auch die Sprechwerkzeuge betroffen sind, kommt es dadurch häufig zu Sprech- und Sprachentwicklungsstörungen. Das problemlose Zusammenspiel der Lippen, Zungen- und Gaumensegelmuskulatur ist gestört. Es erfolgen Lautbildungen oftmals an falscher Stelle. Es zeigt sich oft eine Verlagerung der Artikulation (Lautbildung), d.h. bei einer Vorverlagerung werden z.B. die Laute n und l mit der Zunge zwischen den Zähnen gebildet. Bei der sog. Rückverlagerung können d/t durch g/k oder sogar g/k durch einen starken Hauch ersetzt werden. Der Stimmklang wird durch eine Störung der Gaumensegelfunktion verändert. Die Trennung von Mund- und Rachenraum durch das Gaumensegel gelingt bei der Bildung einzelner Laute, wie z.B. g, k, b, p, d, t nicht ausreichend, so dass Luft durch die Nase entweicht und ein „Näseln“ entsteht. Dieses kann unterschiedlich stark ausgebildet sein, aber auch u.U. bis zur Sprachunverständlichkeit führen. Mimische Mitbewegungen treten auf. Eine regelmäßige Kontrolle der Sprachentwicklung sollte beim Phoniater und Logopäden erfolgen.

In den einzelnen Altersstufen ist zu empfehlen:

Im 1. Lebensjahr ist die fachliche Beratung und Begleitung bezüglich Saugen, Schlucken und Kauen wichtig. Dies sind die sogenannten Primärfunktionen und fördern das muskuläre Zusammenspiel von Lippen, Zunge und Gaumensegel. Durch die Trinkplatte, ggf. spezielle Sauger und sanfte Stimulation im Mundbereich (z.B. Lippenmassage u.ä.) kann der Saug-Schluckvorgang optimiert werden, denn diese Funktionen bilden die Basis für die spätere Lautbildung (Aussprache).

Im 2. und 3. Lebensjahr steht entwicklungsbedingt die Nachahmung im Vordergrund. Spielerisch können die Kinder zu mundmotorischen Aktivitäten angeregt werden. Ganzkörperliche Bewegungsspiele wirken sich positiv auf die Sprechmuskulatur (Lippen, Zunge und Gaumensegel) aus.

Im 3. und 4. Lebensjahr werden die sprachlichen Fertigkeiten der Kinder erfasst. Beim Benennen von Bildern oder Gegenständen wird dokumentiert, wie die jeweiligen Laute gebildet werden. In diesem Alter sollte die gezielte logopädische Therapie beginnen.

Im 5. und 6. Lebensjahr werden die noch fehlenden bzw. falsch gebildeten Laute angebahnt und gefestigt. Dafür ist oft eine intensive logopädische Therapie erforderlich. Aber auch in diesem Alter sollten die Übungen spielerischen Charakter haben.

Kieferorthopädie

Bei Kindern mit einer Gaumenspalte besteht eine offene Verbindung zwischen Mund- und Nasenraum. Dadurch können das Atmen, das Saugen, das Schlucken, die frühe Lautbildung und die Mimik beeinträchtigt sein. Um einen vorübergehenden künstlichen Verschluss zu ermöglichen, sollte bereits in den ersten Lebenstagen eine herausnehmbare Gaumenplatte eingegliedert werden.

Um die Platte individuell herzustellen, wird eine Oberkieferabformung genommen. Die Platte wird dann am selben oder am folgenden Tag eingesetzt und „rund um die Uhr“ getragen. Ziel der Platte ist es, die bestehende Verbindung zur Nase weitgehend abzudecken und die Nahrungsaufnahme zu erleichtern. Durch die Gestaltung der Platte erfolgt eine günstige Einstellung der wachsenden Kieferteile zueinander und nach Lippenverschluss verkleinert sich die Spalte weiter. Für die Zunge entsteht das Gefühl eines normal geformten Gaumendachs, so kann sich deren Lage und Funktion normalisieren. Wegen des raschen Wachstums in den ersten Lebensmonaten muss die Platte alle 4 bis 6 Wochen angepasst bzw. erneuert werden. Parallel zur Therapie mit der Gaumenplatte empfehlen wir eine orale Regulationsbehandlung (Physiotherapie z. B. nach Castillo Morales), um die Weichgewebsfunktionen wie Saugvermögen, Schlucken, Zungenlage und die orale Wahrnehmung zu fördern. Bei großen Trinkproblemen ist der Besuch einer Stillberatung zu empfehlen.

Manche Spaltformen erfordern eine spezielle Vorbehandlung, das NAM (Nasoalveolar Molding). Dabei wird an die Gaumenplatte eine Pelotte angebracht, die den Nasenflügelknorpel formt und den Nasensteg verlängert.  

Im Rahmen der Spaltsprechstunde wird die Gebissentwicklung überwacht. Falls erforderlich werden Sie auf eventuelle Unregelmäßigkeiten bzw. eine notwendige kieferorthopädische Behandlung hingewiesen. Wichtig sind natürlich außerdem der regelmäßige Hauszahnarztbesuch, die Zahnpflege ab dem ersten Zahn, eine spezielle Prophylaxe mit Fluoriden und eine gesunde Ernährung.

Mit dem Durchbruch der bleibenden oberen Frontzähne beginnt dann meist eine intensive kieferorthopädische Behandlung, welche bis zum Wachstumsabschluss dauern kann. Als kieferorthopädische Geräte dienen sowohl herausnehmbare als auch festsitzende Apparaturen, die je nach Entwicklungsstand und Fehlstellung eingesetzt werden. 


Hinweise für den stationären Aufenthalt

Für die Operationen zum Verschluss von Lippe oder Gaumen wird das Kind in der Universitätskinderklinik stationär aufgenommen. Die Mitaufnahme Elternteils ist generell möglich und zu empfehlen. 

Am Tag der stationären Aufnahme ist eine Vorstellung in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik zur Kontrolle des Hörvermögens und um festzulegen, ob eine Trommelfellpunktion oder die Einlage eines Paukenröhrchens notwendig ist, was dann in der selben Narkose erfolgen kann. Am Aufnahmetag erfolgt außerdem die Vorstellung in der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie im Erdgeschoss Haus 30. Hier können Sie mit dem Operateur noch offene Fragen vor der Operation klären und der Narkosearzt wird Sie ausführlich über die Narkose informieren. Kleidung und einen Kinderwagen für Ihr Kind bekommen Sie auf der Station. Alle gängigen Kindernahrungsmittel sind selbstverständlich auch vorhanden und das Abpumpen und Füttern von Muttermilch kann während des stationären Aufenthaltes fortgesetzt werden. Nach der Operation wird für einige Tage die Ernährung über eine Magensonde notwendig sein.

Der gesamte Aufenthalt Ihres Kindes beträgt in der Regel 6-9 Tage. In dieser Zeit wird Ihr Kind täglich von einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen untersucht. Nach erfolgter Nahtentfernung nach Lippenverschluss kann Ihr Kind mit Einverständnis der Kinderärzte nach Hause entlassen werden.


Frühdiagnostik

Im Verlauf der Schwangerschaft werden der werdenden Mutter 3 Ultraschalluntersuchungen angeboten. Dabei können bereits zwischen der 18. und 22. Schwangerschaftswoche Spaltbildungen im Bereich der äußeren Kontur, wie zum Beispiel der sog. offene Rücken (Spina bifida) und auch Spaltbildungen im Kiefer-Gesichtsbereich erkannt werden.

In der möglichst zeitnahen Beratung durch den Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen unseres Spaltzentrums informieren wir die werdenden Eltern über die Behandlung und die gemeinsame Betreuung durch die verschiedenen Fachgebiete.


Soziale Unterstützung

Spaltbildungen stellen in der Regel nur vorübergehende Beeinträchtigungen dar. Wenn vom „Grad der Behinderung“ (GdB) gesprochen wird, handelt es sich um eine Formulierung vom Gesetzgeber. Hierbei wird eine Möglichkeit geschaffen, finanzielle Belastungen, die zur zusätzlichen Fürsorge, bei den häufig weiten Anfahrten und außerhalb der reinen Behandlungskosten anfallen, aufzufangen. Der GdB wird in Prozent angegeben und ist kein Maß für die allgemeine Leistungsfähigkeit des Kindes. Der GdB wird auf Antrag der Eltern, der möglichst früh (noch vor der ersten Operation) gestellt werden sollte, beim zuständigen Versorgungsamt des Heimatortes festgelegt. Bei der Antragstellung ist unsere Sozialarbeiterin gern behilflich.