Mesenchymale Stammzellen, Regulatorische T-Zellen und CAR-T-Zellen
Neben autologer (eigener) und allogener (fremder) Blutstammzelltransplantation werden an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I eine Reihe weiterer zellulärer Therapieverfahren in der klinischen Versorgung eingesetzt. Daneben gibt es ebenfalls die Möglichkeit an Phase II/III Studien teilzunehmen, in denen zelluläre Therapeutika zur Anwendung kommen. Das Spektrum zellulärer Therapieverfahren in Hämatologie/Onkologie wird durch Studienangebote der ECTU (Early Clinical Trial Unit; Einheit zur Durchführung von Phase I/II Studien) erweitert. Der fächerübergreifende Zugang zu zellulären Therapieverfahren wird durch die Zusammenarbeit am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) gewährleistet.
Zudem bestehen eine Reihe von Kooperationen innerhalb der TU Dresden, sowie mit anderen nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen, die sich mit grundlagenwissenschaftlichen Fragestellungen im Kontext der Zelltherapie beschäftigen.
Schwerpunkte der an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I in der klinischen Routineversorgung zur Anwendung kommenden zellulären Therapieverfahren sind (i) die Behandlung von Nebenwirkungen der Fremdblutstammzelltransplantation und (ii) die Behandlung von Krebserkrankungen.
Mesenchymale Stromazellen (MSC)
Mesenchymale Stromazellen (MSC) können aus verschiedenen Fest-Geweben des menschlichen Körpers isoliert werden (unter anderem aus Fettgewebe, Knochenmark und Nabelschnur). In der klinischen Medizin versucht man bestimmte Fähigkeiten von MSC therapeutisch zu nutzen (Abbildung 1).
Abbildung 1 Eigenschaften von MSC unter Laborbedingungen
I. Fibroblasten Koloniebildung, II. Differenzierung in Knochengewebe,
III. Differenzierung in Fettgewebe, IV. Nischenbildung
MSC sind unter anderem in der Lage sich in andere Zellen des Binde- und Stützgewebes zu differenzieren (z.B. Knochenzellen, Knorpelzellen und Fettzellen), weshalb sie auch bei Gewebsverletzungen klinisch eingesetzt werden. Blutstammzellen sind in ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung auf eine spezialisierte Umgebung („Nische“) angewiesen, die unter anderem auch durch MSC bereitgestellt wird. Diese Funktion wird vor allem im Labor genutzt und ist bisher klinisch nicht anwendbar. Am häufigsten werden MSC auf Grund ihrer immunmodulatorischen Funktion klinisch eingesetzt. MSC sind in der Lage die Aktivität verschiedener Immunzellen zu dämpfen, weshalb MSC bei unterschiedlichen entzündlichen Erkrankungen (z.B. chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) zur Anwendung kommen. Die Transplantat-gegen-Wirt Erkrankung (GvHD, Graft-versus-Host Disease) ist eine mögliche Nebenwirkung der Fremd-Blutstammzelltransplantation und durch eine Entzündung der Empfänger-Organe - ausgelöst durch Spender-Immunzellen - gekennzeichnet. Bei schweren Verläufen besteht die Erstlinien-Behandlung in der Gabe von Glucocorticoiden (z.B. Prednisolon). Das Versagen der Erstlinientherapie ist mit einer schlechten Prognose assoziiert. Es stehen eine Reihe von Zweitlinien-Behandlungen zur Verfügung. Seit 2007 können an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I im ärztlich bzw. therapeutisch begründeten Einzelfall MSC zur Anwendung kommen. Seit 2012 hat die Medizinische Klinik und Poliklinik I eine Herstellungserlaubnis für MSC zur Anwendung bei Patienten innerhalb des Universitätsklinikums Dresden. Die MSC werden dabei aus dem Knochenmark gesunder Spender isoliert. Bei den gesunden Spendern handelt es sich um Personen, die ihr Knochenmark für eine Fremd-Blutstammzelltransplantation zur Verfügung stellen. Die MSC werden aus Überschussmaterial, das für die Blutstammzelltransplantation nicht benötigt wird, gewonnen und im Labor vermehrt, so dass von einem Spender mehrere Chargen MSC produziert werden können. Die MSC gesunder Spender werden eingefroren und können bei Bedarf Patienten mit Steroid-refraktärer GvHD zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Eine Vorbehandlung der Patienten ist bei MSC-Gabe nicht notwendig.
Regulatorische T-Zellen (Treg)
Das menschliche Immunsystem besteht aus Entzündungs-fördernden und Entzündungs-hemmenden Elementen. Nur eine Situations-angepasste Abstimmung dieser Kontrapunkte erlaubt einerseits die Initiierung von Entzündungsprozessen (z.B. im Rahmen der Infektabwehr), aber auch deren Beendigung. Störungen dieser Balance führen zu körperlichen Schäden.
Regulatorische T-Zellen (Treg) sind Immunzellen, die Entzündungs-dämpfende Eigenschaften besitzen. Treg patrouillieren im Blut und Lymphorganen und können bei Bedarf auch in Fest-Gewebe gelangen. Treg können ärztlich bzw. therapeutisch begründeten Einzelfall oder im Rahmen von Studien ebenfalls bei Patienten mit Steroid-refraktärer GvHD (siehe MSC) eingesetzt werden. Dafür werden in einem ersten Schritt Immunzellen aus dem Blut des Blutstammzellspenders mittels Apherese (eine bestimmte Art von Blutwäsche) gewonnen. Anschließend werden im Labor aus dem Immunzellgemisch die Treg angereichert und in Zellkultur vermehrt. Im Gegensatz zu den MSC, bei denen prinzipiell jeder Spender verwendet werden kann, ist bei den Treg nur der Blutstammzellspender geeignet. Aber wie bei den MSC, ist eine Vorbehandlung des Patienten für die Infusion der Treg nicht notwendig. Die Medizinische Klinik und Poliklinik 1 kooperiert im Rahmen der Treg Herstellung mit dem Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). 2019 ist es uns gelungen als weltweit erstes Zentrum einen voll-automtisierten Herstellungsprozess zu entwickeln (Abbildung 2).
Abbildung 2 Herstellungsprozess für Treg
Chimäre Antigen Rezeptor modifizierte T-Zellen (CAR T-Zellen)
Bei dieser Therapie werden körpereigene Immunzellen mittels Apherese (eine bestimmte Art von Blutwäsche) aus dem Blut gewonnen. Im Labor erfolgt anschließend eine Anreicherung, Aktivierung und Vermehrung bestimmter Immunzellpopulationen, am häufigsten T-Zellen. Diese Zellen werden im Labor so genetisch verändert, dass sie anschließend einen künstlichen Rezeptor auf Ihrer Oberfläche (CAR, Chimärer Antigen Rezeptor) aufweisen. Mit dem CAR werden bestimmte Merkmale auf der Oberfläche anderer Zellen erkannt (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Bindet die genetisch veränderte Immunzelle mit ihrem CAR an das entsprechende Merkmal auf einer anderen Zellen, so wird die CAR Zelle aktiviert und die Zielzelle zerstört (Abbildung 1).
Abbildung 3 Ausbildung der immunologischen Synapse bei CAR-T Zellen
(TAA = Tumor-assoziiertes Antigen)
Der gesamte Herstellungsprozess kann einige Wochen in Anspruch nehmen. Der Infusion der CAR Zellen ist eine chemotherapeutische Behandlung vorgeschaltet. Seit Herbst 2018 sind CAR T-Zellen in Europa und Deutschland für die Behandlung bestimmter Lymphdrüsenkrebserkrankungen und bestimmter Leukämieformen zugelassen, aber dürfen nur an zertifizierten Behandlungszentren, wie z.B. der Medizinischen Klinik und Poliklinik 1, eingesetzt werden.
Bei der Therapie mit CAR Zellen können schwere, z.T. lebensbedrohliche, aber meist vorübergehende Nebenwirkungen auftreten. Durch die Aktivierung der CAR Zellen werden Botenstoffe freigesetzt, die zur allgemeinen Aktivierung des Immunsystems (Zytokin-Freisetzungs-Syndrom, CRS) führen. Das CRS kann durch Fieber, Blutdruckabfall, Lungenversagen, bis hin zum Multi-Organ-Versagen gekennzeichnet sein. Zudem können neurologischen Nebenwirkungen auftreten, z.B. in Form von Krampfanfällen oder Hirnschwellung. Da die meisten Merkmale, gegen die sich der CAR richtet, nicht nur auf Tumorzellen (Tumor-assoziierte Antigene, TAA), sondern auch in bestimmten Normalgeweben exprimiert werden, kann es auch zu einer Schädigung regulärer Organe kommen. Das Schädigungsmuster hängt von dem Zielmerkmal ab. Die Behandlung von CAR Patienten erfolgt daher interdisziplinär durch speziell geschulte Ärzt*Innen und Pflegepersonal aus Hämatologie/Onkologie, Neurologie und Intensivmedizin, sowie Mitarbeiter*Innen der Apotheke und des Zell-Labors.