Informationen für Ärzte
Allogene Inseltransplantation
Entscheidend für die Realisierung der Inselspende und –transplantation sind folgende Aspekte:
- Information der Beteiligten über die medizinischen Hintergründe der Inseltransplantation und die regulatorische/juristische Einordnung der Pankreasinseln als Gewebe
- Einzügige Aufklärung der Angehörigen über Organ- und Gewebespende; ggf. separate Zustimmung für Verwendung von Pankreasinseln bei nicht transplantablem Pankreasorgan
- Frühzeitige Benachrichtigung der DGFG durch das Spenderkrankenhaus oder die Entnahmechirurgen
- 24-Stunden Ansprechpartner im Bereich DGFG und Insel-Zentrum
Im Sinne des Transplantationsgesetzes (TPG § 1a) handelt es sich beim Pankreas um ein vermittlungspflichtiges Organ. Hier gilt der Grundsatz Organ- vor Gewebespende (TPG § 9). Kann das Pankreas nicht als solides Organ transplantiert werden, findet zur Gewinnung und Transplantation der Inselzellen eine Umwidmung zum Gewebe statt.
Für die Spende der Inselzellen bedarf es der Einwilligung in die Gewebespende!
Autologe Inseltransplantation - eine Option bei komplizierten Pankreasoperationen
Operationen am Pankreas gehören zu den technisch anspruchsvollsten Eingriffen in der Viszeralchirurgie und sind mit einer nicht unerheblichen Komplikations- und Mortalitätsrate verbunden. Die Etablierung von Pankreaszentren mit entsprechender Expertise und hohen Fallzahlen sowie die Verbesserung des perioperativen Managements hat zu einer deutlichen Verringerung von Operations-assoziierten Komplikationen und der Sterblichkeit geführt. Diese positive Entwicklung erfordert allerdings auch ein verstärktes Bemühen um die postoperative Lebensqualität insbesondere in Bezug auf die Stoffwechselkontrolle. Infolge einer kompletten Pankreatektomie kommt es zu einem Insulinmangeldiabetes (Diabetes mellitus Typ 3c), der durch die gleichzeitige Glukagondefizienz als schwerste Form des Diabetes mellitus gewertet werden muss und durch die begleitende exokrine Pankreasinsuffizienz weiter kompliziert wird. Ausgeprägte Blutzuckerschwankungen und eine Neigung zu schweren Hypoglykämien sind oft typische metabolische Komplikationen dieser Patientengruppe. Neben diesen akuten Problemen sind aufgrund des verbesserten Überlebens auch Langzeitschäden durch eine schlechte Stoffwechsellage relevant. Die autologe Inseltransplantation stellt eine Option dar, um eine vollständige Insulindefizienz nach Pankreatektomie zu vermeiden bzw. sogar die Entwicklung eines pankreopriven Diabetes ganz zu verhindern. Dabei werden die Langerhans Inseln wie bei einer allogenen Inseltransplantation mittels eines enzymatischen Verfahrens isoliert und intraportal re-infundiert. Traditionell wird dieses Verfahren vor allem in Nordamerika seit Jahrzehnten bei Patienten, die aufgrund einer chronischen Pankreatitis pankreatektomiert werden, erfolgreich durchgeführt. In Europa gilt das Zentrum in Mailand (San Raffaele Scientific Institute, Mailand, Italien) als Vorreiter auf diesem Gebiet. Dort wurde eine deutliche Ausweitung der Indikationen zur Insel-Autotransplantation in Studien untersucht. Unlängst wurden von dieser Gruppe die ersten Ergebnisse nach Inselautotransplantation bei Patienten mit malignen Pankreaserkrankungen vorgestellt. Kontrollierte klinische Studien mit größeren Patientenzahlen und genau definierten Indikationen sind bereits initiiert oder in Vorbereitung und werden Erkenntnisse über das chirurgische, onkologische und metabolische Outcome dieses Therapieverfahrens bringen müssen.
Allgemeine Indikationen zur Inselautotransplantation (ausgenommen maligne Erkrankungen):
- Chronische Pankreatitis: bei chirurgisch indizierter (sub-) totaler Pankreatektomie (therapierefraktäre Schmerzbeschwerden)
- Pankreatektomie nach traumatischer Pankreasverletzung
- Schwere Komplikationen nach Pankreaseingriffen oder anderen Operationen, die das Pankreas sekundär betreffen
- Primär komplette Pankreatektomie aufgrund eines hohen Risikos für Anastomoseninsuffizienz
Metabolisches Outcome der Patienten nach autologer Inseltransplantation
Die Ergebnisse nach autologer Inseltransplantation bezüglich endogener Insulinsekretion sind insgesamt sehr günstig. Mit einer gewissen Variabilität zwischen einzelnen Zentren und in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Indikation für die Pankreatektomie liegt die Transplantatfunktion nach einem Jahr bei über 90% und die Rate an kompletter Insulinunabhänigkeit bei ca. 60%. Damit sind die Ergebnisse denen der allogenen Inseltransplantation überlegen, was der fehlenden Allo- und Autoimmunität (wie bei Diabetes mellitus Typ 1) und dem Verzicht auf potentiell diabetogene Immunsuppressiva zuzuschreiben ist.
Aus diabetologischer Sicht ist anzumerken, dass trotz der erfreulich hohen Rate an Insulinunabhängigkeit bereits die Erhaltung einer sogar minimalen Insulineigensekretion einen enormen Vorteil für die Patienten bringt und eine erhebliche Erleichterung der Diabetestherapie zur Folge hat. Häufig ist eine supportive Gabe von Langzeit-Insulin oder die Mahlzeiten-abhängige Applikation von kurzwirksamen Insulin ausreichend, um eine stabile Stoffwechselkontrolle und damit gute Lebensqualität für die Patienten zu erreichen. Die Therapieziele bei dieser speziellen Patientengruppe müssen individuell definiert und entsprechend umgesetzt werden.
Zusammenfassend erlauben die in der Literatur verfügbaren Daten und die eigenen Erfahrungen am Zentrum in Dresden die Empfehlung, eine autologen Inseltransplantation bei entsprechenden Indikationen zu erwägen. Der Vorteil bezüglich metabolischer Kontrolle und Lebensqualität der Patienten gegenüber den Herausforderungen eines pankreopriven Diabetes sind überzeugend. Eine Ausweitung der Indikationen für autologe Inseltransplantation muss im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien überprüft werden. Die bislang vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass diese Therapieform auch bei neoplastischen Pankreasveränderungen eine Option darstellt.
Fazit für die Praxis
- Die Möglichkeit einer autologen Inseltransplantation sollte bei bestimmten Pankreaseingriffen (chron. Pankreatitis, Pankreastrauma, Komplikationen nach Resektionen) immer erwogen werden.
- Bislang vorliegende Single-Center-Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Insel-Autotransplantation auch bei neoplastischen Pankreaserkrankungen eine zukünftige Therapieoption darstellen könnte.