Behandlung Arteriovenöse Malformation
Generelles
Arteriovenöse Malformationen (AVM) sind angeborene Gefäßmissbildungen, die im Hirngewebe oder dessen unmittelbarer Nachbarschaft wachsen. Sie bestehen aus einem Nidus (wörtlich übersetzt: „Nest“), in den zuführende arterielle Gefäße münden und venöse Gefäße herausführen. Da die AVM aber oft ein unübersichtliches Knäuel ist, kann man die einzelnen Elemente schwer unterscheiden.
Der Nidus ist definitionsgemäß der Ort, an dem die Arterien ohne zwischengeschaltetes Kapillarbett kurzschlussartig direkt in die Venen übergehen. Dies führt zu einem hohen Blutdruck und -fluss in den Venen, die erweitert sein und platzen können. Wenn eine AVM spontan blutet kann sie „symptomatisch“ werden, d.h. Beschwerden hervorrufen. Die Blutungswahrscheinlichkeit von AVM ist von vielen Faktoren abhängig, die nicht alle verstanden sind. Die Benennung eines Blutungsrisikos für den Einzelfall ist nahezu unmöglich, insgesamt geht man von einem Risiko zwischen 1 – 4% pro Jahr aus.
Indikationen
Häufig sind AVM asymptomatisch und werden zufällig bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes entdeckt. Andererseits kann ein Krampfanfall zur Entdeckung einer AVM führen, die dafür nicht unbedingt geblutet haben muss. Wenn eine AVM blutet, führt dies in vielen Fällen zu plötzlich einsetzenden, heftigsten Kopfschmerzen, oft begleitet von Funktions-Ausfällen (z.B. Lähmungen, Gefühls- und Sprach-, Gleichgewichts- oder Sehstörungen); bei schweren Blutung können die betroffenen Patienten ins Koma fallen.
Wenn der Verdacht auf eine Hirnblutung besteht, wird meist zuerst eine Computertomographie (CT) durchgeführt, gelegentlich auch mit einer Gefäßdarstellung (CT-Angiographie). Diese zeigen, ob es im Kopf geblutet hat, an welchem Ort und in welchem Ausmaß. Zeigt die CT dann nur eine Blutung und keine erklärende Erkrankung, kann zunächst eine MRT mit oder ohne Kontrastmittelgabe durchgeführt werden. In der MRT ist es auch möglich, die Blutgefäße (MR-Angiographie) darzustellen und, als Besonderheit, die Folgen älterer Blutungen (Blutabbauprodukte).
Damit lassen sich auch sehr kleine AVM, die in der Vergangenheit mal geblutet haben können, ohne dass sich die Patientin/der Patient dessen bewusst war, entdecken. Die genaueste Methode zum Nachweis einer AVM ist jedoch die Digitale Subtraktionsangiographie (DSA). Sie wird meist am Ende der Diagnostik eingesetzt, da nur mit dieser Untersuchung der Blutfluss durch die AVM und deren genaue Gefäßarchitektur beurteilt werden können, die vor jeder möglichen Therapie wichtig sind zu kennen. Allerdings sieht man in der DSA nicht, wie das umliegende Hirngewebe aussieht, in Verbindung mit dem vorherigen MRT und CT ergibt sich jedoch ein vollständiges Bild.
Ablauf des Eingriffs
Die Therapiewahl hängt von vielen Faktoren ab. Prinzipiell ist eine Behandlung erforderlich, wenn die AVM durch eine Blutung entdeckt wurde, denn dann gilt es eine erneute Blutung unbedingt zu vermeiden.
Handelt es sich um einen Zufallsfund, d.h. wurde die AVM „zufällig“ entdeckt, weil der Kopf wegen einer anderen Frage untersucht wurde, kann der Verzicht auf eine (risikoreiche) Behandlung der AVM sinnvoll sein. Das Behandlungsrisiko ist manchmal höher, als das Risiko des Spontanverlaufes. D.h. wenn man sich behandeln lässt, kann immer etwas passieren; tut man nichts, kann unter Umständen die AVM bis zum natürlichen Lebensende „ruhig“ bleiben. Um sich bestmöglichst zu entscheiden, ist eine fundierte Untersuchung und Beratung erforderlich.
Ist die AVM nach einem epileptischen Anfall entdeckt worden und liegt in einer gut zugänglichen Hirnregion, wird oft eine eingreifende Behandlung zur Anfallsbekämpfung empfohlen. Alternativ kann erst mit der in jedem Fall nötigen medikamentösen Anfallsbehandlung begonnen werden. Liegt die AVM in schwieriger zugänglichen Regionen oder ist sie sehr groß, bleibt die medikamentöse Anfallsbehandlung gelegentlich die alleinige Therapie (aufgrund der Behandlungsrisiken der AVM).
Zur Behandlung der AVM stehen drei Verfahren jeweils alleine oder in Kombination zur Verfügung:
- neurochirurgische Operation,
- katheterbasierte, endovaskuläre Embolisation mit Flüssigembolisaten oder -klebern oder
- Bestrahlung.
Bei der katheterbasierten, endovaskulären AVM-Behandlung werden die Hirnarterien von der Leiste oder vom Arm aus mit sehr feinen Kathetern aufgesucht. Wenn der Katheter unmittelbar am Nidus liegt, kann die Gefäßmissbildung mit einer zäh fließenden Flüssigkeit („Embolisat“, „Gewebeklebstoff“) ausgeschaltet oder der Zufluss reduziert werden. Therapieziel sollte immer der vollständige Verschluss des Nidus („Nest“) sein. Ein teilweiser Verschluss des Nidus oder nur der Verschluss der großen zuführenden Gefäße wird vermieden, da hierdurch das Blutungsrisiko sogar steigen kann. Die komplette AVM-Entfernung ist grundsätzlich das Therapieziel. Größere AVM werden oft zuerst katheterbasiert embolisiert und dann in einer Operation (mit Öffnung des Schädels) vollständig entfernt. Kleinere AVM können gelegentlich komplett embolisiert („verödet“, „verklebt“) werden, ohne dass hinterher operiert werden muss.
Nach „Ausschaltung“ der AVM (operativ entfernt oder endovaskulär verschlossen) gehen wir davon aus, dass das Blutungsrisiko beseitigt ist.
Abb.1: Die arteriovenöse Gefäßmalformation (AVM) vor der Behandlung. Gezeigt ist ein sog. Subtraktionsbild: nur das Kontrastmittel in den Gefäßen wird dargestellt, alles andere (Knochen, Implantate) wird als „Maske“ davon subtrahiert. | Abb. 2: Nach erfolgreicher Behandlung ist die AVM nicht mehr sichtbar im Subtraktionsbild. | Abb.3: Dasselbe Bild wie Abb. 2, nur ohne Subtraktion. Hier ist das Material, das zum Verschließen der AVM verwendet wurde gut zu sehen. Das Material (Embolisat) liegt im „Nest“ (Nidus) der AVM, ist ein wenig ausgetreten und hat beabsichtigterweise auch die Vene (den Abfluss der AVM) erreicht. |
Risiken
Die AVM-Behandlung hat große Fortschritte gemacht, neue Materialien und Techniken konnten Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung verbessern.
Beim therapeutischen Verschließen der AVM und der zuführenden Gefäße kann es zu Durchblutungsstörungen auch in anderen Gefäßen kommen. Dies kann zu vorübergehenden oder schlimmstenfalls bleibenden Störungen am Nervensystem führen (Schlaganfall). Auch kann es während oder nach der Behandlung zu einer Hirnblutung kommen, dies wird oft mit einer Umstellung der Durchblutung in der Umgebung der AVM erklärt. Das Komplikationsrisiko ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig: Erkrankung (Eigenschaften der AVM), Behandler*in und Material sowie individuellen Risikofaktoren (Vorerkrankungen etc.).
Da die Risiken einer jeden AVM-Behandlungmethode nicht unerheblich sind, entscheiden sich betroffene Personen nach eingehender Beratung oft für das vierte Behandlungskonzept: die alleinige Verlaufskontrolle mit MRT.
Angebot der Beratung
Wurde bei Ihnen eine AVM diagnostiziert bieten wir Ihnen an, sich mit Ihren Unterlagen bei uns zu einem persönlichen Gespräch vorzustellen. Wir werden anhand Ihrer Unterlagen versuchen mit Ihnen gemeinsam die beste Behandlung zu finden. Vereinbaren Sie hierzu bitte einen Termin in unserer Neurovaskulären Sprechstunde.
zuletzt verändert: 05.06.2023