Kunsttherapie
„Wenn Worte fehlen, sprechen Bilder“
(G. Schottenloher)
„Therapeut und Klient schauen einander nicht in die Augen, sondern miteinander auf das Bild”
(G. Schottenloher)
Im Mittelpunkt der Kunsttherapie steht das gestaltete Objekt, in dem sich über den Gestaltungsprozess etwas vom Wesen des Gestalters, von seinen Gefühlen, Erfahrungen, Gedanken, Bedürfnissen, Vorstellungen und Fantasien ausdrückt. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes darum, sich ein „Bild“ von sich selbst zu machen.
Diese „Bilder“ können als „Spiegel“ für bewusste und unbewusste seelische Prozesse und Zustände angesehen werden. Oft fällt es leichter, in der Gestaltung etwas von den inneren Befindlichkeiten auszudrücken, als über diese zu sprechen. Dadurch können verdrängte, abgespaltene Seiten der Persönlichkeit wieder wahrgenommen und integriert werden.
Kunsttherapie ist immer ressourcenorientiert. Schwerpunkte der Therapie bilden einerseits das Tun und Erleben, andererseits das Wiederauffinden verloren geglaubter Gestaltungsfähigkeiten, sowie der eigenen Kreativität als auch das Entdecken neuer Sichtweisen und Möglichkeiten. Kunsttherapie ist eine überwiegend nonverbale Therapieform. Im Mittelpunkt stehen das kreative Gestalten und der schöpferische Prozess.
In den Gruppen wird ressourcenorientiert, wahrnehmungs- und beziehungsorientiert gearbeitet. Um von der Kunsttherapie profitieren zu können, bedarf es keiner künstlerischen Begabung.
Ressourcenorientierte Kunstherapie
Indikation:
- Krisenintervention (Selbstwert-Stärkung, Ressourcenaktivierung)
- Patientinnen/Patienten, bei denen der Therapiefokus auf stützende, ressourcenorientierte oder kurende Behandlung gelegt wird
- Patientinnen/Patienten, die nur begrenzt gruppenfähig sind
- Patientinnen/Patienten mit primär somatisch-orientiertem Krankheits- und Genesungsverständnis
Die ressourcenorientierte Kunsttherapiegruppe bietet alle Möglichkeiten einer Einzelarbeit in der Gruppe. Nach einer Vorstellung der zur Verfügung stehenden Materialien wählen die Gruppenmitglieder entsprechend ihren persönlichen Neigungen, Techniken, Werkstoffe und Themen ihrer Arbeit. Die Kunsttherapeutin steht dabei vor allem zur Beratung im Umgang mit den Materialien und Techniken zur Verfügung. Sie begleitet aber auch in schwierigen Situationen den Weg zum Wiederauffinden verloren geglaubter Gestaltungsfähigkeiten, zur eigenen Kreativität und zum Entdecken neuer Sichtweisen und Möglichkeiten.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im praktischen Tun und Erleben. Eine Abschlussrunde bietet die Möglichkeit, die eigene Arbeit aus der Distanz zu betrachten und das Erlebte, sowie die Wahrnehmungen und Ideen zu anderen Arbeiten in Worte zu fassen.
Materialangebot: deckende Wasserfarben, Aquarellfarben, Öl- und Pastellkreiden, verschiedene graphische Materialien (Graphit, Kohle, Tusche), Collagenmaterialien, verschiedene Papiere, Material für einfache Drucktechniken (Monotypie, Schablonendruck, Linolschnitt), Ton, Speckstein
Therapiezeit: einmal 60 Minuten pro Woche
Wahrnehmungsorientierte Kunsttherapie
Indikation:
- Patientinnen/Patienten, bei denen der Therapiefokus auf Verbesserung der Selbst- und Fremdwahrnehmung gelegt wird
- Patientinnen/Patienten, bei denen eine Aktivierung der eigenen Handlungsfähigkeiten im Vordergrund steht
- Patientinnen/Patienten, die der Psychotherapie ambivalent bis ängstlich gegenüberstehen
Bild: Susi S.
Den Rahmen der Wahrnehmungsorientierten Gruppe bilden unterschiedliche künstlerische Techniken, die von der Kunsttherapeutin vorgestellt werden. Anhand dieser Verfahren werden sinnliche Erfahrungen in allen Wahrnehmungsbereichen möglich (optisch, haptisch, taktil, akustisch, geschmacks- und geruchsorientiert).
Innerhalb des Gruppengeschehens liegt ein Schwerpunkt im Auffinden von Ähnlichkeit und Individualität im emotionalen Erleben des Materials und des Arbeitsprozesses. Die Festlegung der Technik des Gestaltens bedeutet gleichzeitig die Freiheit der Themen, die erscheinen dürfen. Phantasien können entwickelt werden. Spuren innerer Bewegung werden in der Gestaltung sichtbar und können im weitesten Sinne verarbeitet werden. Emotionen zeigen sich im “Bild”, werden wahrgenommen und verbalisiert. Viele Techniken fördern den Umgang mit Zufälligkeiten und das Arbeiten im Prozess des Tuns. Es ist nötig, sich auf das Material als Gegenüber einzulassen, es in seinen Eigenschaften kennen zu lernen und Unvorhergesehenes im Arbeitsprozess zu integrieren. Experimentieren steht im Vordergrund. Die Vorstellung des Ergebnisses der Arbeit bildet sich schrittweise während ihres Entstehens. Das bedeutet die Förderung der Fähigkeit, im Moment zu entscheiden und zu handeln und sich dabei, oft auch schmerzlich, von vorgeformten, festen Zielvorstellungen zu verabschieden.
Die sprachliche Bearbeitung zielt auf die eigenen sinnlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Themen sind Material, Technik und die Wahrnehmung im Arbeitsprozess. Durch das gemeinsame Anschauen der Arbeiten werden auch fremde Zugangsmöglichkeiten sichtbar und integrierbar. Phantasien anderer zur eigenen Gestaltung können als Bereicherung wahrgenommen und von den persönlichen Intentionen und Empfindungen unterschieden werden.
Techniken und Methoden:
- Formenzeichnen, beidhändiges Zeichnen, Formwahrnehmungsübungen
- Farbmeditation, Farbwahrnehmungsübungen
- Zufalls- und Drucktechniken (Materialdruck, Monotypie, Abklatsch, Schablonendruck, Linolschnitt)
- Plastisches Gestalten (Ton, Speckstein, Maskengestaltung, Papiermasché)
- Mischtechniken (Fettkreiden und Aquarellfarbe, Verbindungen zwischen malerischen und graphischen Techniken)
- Collagetechniken
- Malen nach/mit Musik
Therapiezeit: zweimal 90 Minuten pro Woche
Beziehungsorientierte Kunsttherapie
Indikation:
- Patientinnen/Patienten, bei denen der Therapiefokus auf Verbesserung der Beziehungsfähigkeit gelegt wird
- Psychotherapiepatientinnen/Psychotherapiepatienten im engeren Sinne mit hoher Motivation
Die Arbeit in der Beziehungsorientierten Kunsttherapiegruppe gliedert sich in zwei Hauptbereiche: Beziehungsorientiertes Arbeiten mit dem künstlerischen Material als Mittler und Instrument des Geschehens (Dialogisches Arbeiten, Gruppengestaltungen) und das Arbeiten mit Themen biographischen und symbolischen Charakters, welches mehr auf die Beziehung zu sich selbst und das nachfolgende Sich-in-Bezug-Setzen in der Gruppe orientiert.
Dialogisches Arbeiten und Gruppengestaltungen bieten Raum für nonverbale Kommunikation. Beziehung entsteht durch die konkreten Handlungen und wird in der Gestaltung sichtbar. Die Gestaltung als Projektionsfläche des gemeinsamen Tuns lässt Experimente zu, ermöglicht einen spielerischen Umgang miteinander und dient als Probierfeld für Ungewohntes. Im Prozess des Gestaltens erfahren sich die Gruppenmitglieder in ihrer Art, Kontakt aufzunehmen mit den dazugehörenden Emotionen. Beziehungsmuster, eigene Strategien und Kompromissbildungen werden erlebt und können in nachfolgenden Gesprächsrunden verstanden und in ihrer Wirkung auf andere erfahren werden.
Biographische und symbolische Themen lassen innere Bilder erscheinen, die durch ihre Materialisierung in der Gestaltung für den Gestalter und die Gruppenmitglieder sichtbar, besprechbar und behandelbar werden. Bilderfolgen können starre Bilder in Bewegung bringen und somit zu einer größeren inneren Beweglichkeit beitragen.
Techniken und Methoden:
- Dialogische Gestaltungen
- Gruppenbilder- und Plastiken
- Maskenbau
- Themenbezogenes Arbeiten (die Wahl der Arbeitsmaterialien ist meist freigestellt)
Beispielhafte Themenauswahl:
- Themen zum Hier und Jetzt (Körperbilder, Selbstbilder, Lebensumstände, Familie, Ziele der Lebensgestaltung, momentane Befindlichkeit)
- Biographische Themen (Lebensweg, Lebenspanorama, Kindheitserinnerungen)
- Symbolische Themen (Haus, Baum, Weg, Berg)
- Imaginationen, Märchen, Träume, Wünsche