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Tanztheaterfreizeit Oktober 2016 "Moving Stories: Ich. Wir. Hier. Jetzt?!"

Tanztheaterfreizeit Oktober 2016 "Moving Stories: Ich. Wir. Hier. Jetzt?!"

  

Tanz, Theater, neue Klänge: Tanztheaterfreizeit 2016 in Kooperation zwischen dem Sächsischen Cochlear Implant Centrum und der „Jungen Szene“ der sächsischen Staatsoper Dresden!

In diesem Jahr ging der Vorhang auf für die Premiere eines besonderen Stückes auf einer ganz besonderen Bühne.

„Ich. Du. Wir!“

auf Semper 2

Am 3. Oktober starteten sechzehn wild entschlossene Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren in eine einwöchige gemeinsame Tanztheaterfreizeit, um sich dem Thema des Zusammenlebens ganz real zu nähern. Sowohl auf kreative Weise in den Workshops Tanz, Theater und Musik als auch im gemeinsam gelebten Alltag des Selbstversorgerhauses, in der die zum Teil mit CI versorgten Jugendlichen zusammen wohnten und ihre Freizeit verbrachten, widmeten sie sich den Fragen:

Wer bin ich? Bin ich besonders? Wer bist du? Wer sind wir? Wo sind wir hier?

Wie begegnen wir einander? Wie können wir zusammen leben? Hier und Jetzt?!

Ausgangspunkt der Workshops bildeten dabei drei Orte/drei Räume der Begegnung zwischen Menschen mit all ihren Facetten, Gemeinsamkeiten und Absurditäten.

öffentlicher Raum – privater Raum – individueller Raum

Jan-Bart De Clercq von der Semperoper Junge Szene, die beiden Tanzpädagoginnen Marie Hausdörfer und Tabea Wienigk, Svenja Horn als Theaterpädagogin und Claudia Potreck vom SCIC setzten als symbolische Idee für den persönlichen Raum große Kartons ein, die die Jugendlichen individuell gestalten konnten. Quadratische in grau-braun gehaltene Teppiche symbolisierten die Einheitlichkeit privater Räume, die mittels selbst gewählter Bewegungen und Musikinstrumente individuelle Gestalt annehmen sollten. Ausgangspunkt für das Sichtbarwerden eines Geflechts alltäglicher Beziehungen bildete ein Band zwischen den Teilnehmern.

In parallel stattfindenden Workshops setzten sich die Jugendlichen sehr lebendig mit den Orten der Begegnung auseinander. Tanz und Theater wurden dabei unbefangen angenommen. Stimmungen einer pulsierenden Stadt wurden im Tanz nachgebildet, Choreographien mit einer gemeinsamen Bewegungssprache, die Zusammenhalt aber auch Abgrenzung und Zurückhaltung verkörperten, entwickelt. So entstanden mit viel Freude am gemeinsamen Tanzen ernste, lustige, berührende aber auch surreale Szenen. Die Jugendlichen entwickelten szenisch verschiedene Charaktere in der Begegnung auf der Straße. Sie schlüpften in Rollen als Geschäftsmann, Mutter und bockiges Kind, als taffe Omi oder cooler Typ, als Bettlerin und Studentin und entwickelten in der Gestaltung der Rolle einen eigenen emotionalen Bezug.

   

In einer in einem Mietshaus spielenden Szene, dienten die Teppiche als Symbol des scharf abgegrenzten privaten Raumes, wodurch die Thematik der eigenen Grenzen und der Individualität ins Zentrum rückte:

Was brauche ich? Was stört mich? Was mag ich? Was gefällt, was missfällt mir? Wie kann ich Tätigkeiten und Bewegungen musikalisch darstellen und zum Klingen bringen? Fragen entstanden, wie etwas musikalisch individuell dargestellt werden könnte.

Sehnsucht nach Ruhe im eigenen Heim suchend, kommt jemand nach Hause, geht seinem Hobby, dem Kochen, nach, fühlt sich aber durch die Töne, Geräusche und Klänge aus den anderen Wohnungen gestört – macht sich auf die Suche und lauscht an den Türen. Dort trifft er auf jemanden, der Musik macht, am Computer sitzt und in die Tastatur tippt, sich die Haare föhnt, ein streitendes Ehepaar...

Freundschaftliche, feindliche und unsichere Begegnungen am Arbeitsplatz in einer Fabrik aber auch surreal als Geist oder Batman kommen tänzerisch, choreografisch, musikalisch zum Ausdruck. Sensibel und emotional berührend entstand eine Tanzchoreografiemit einem Gummiband als Symbol für die Verbindungen zwischen Menschen – mal straff, dann locker, sich lösend oder bindend.

   

Eine sehr große Herausforderung stellte innerhalb der wenigen Tage die Auseinandersetzung mit Musikinstrumenten dar, welche erstmals in das Projekt einbezogen worden waren. Die Jugendlichen setzten sich gleichzeitig mit mehreren Ebenen auseinander: Kennenlernen der Instrumente, musikalisch frei in Kontakt kommen, zu einer Idee improvisieren, Gefühle innerhalb einer Bewegung oder Szene musikalisch-szenisch umsetzen und erklingen lassen, sich mit Instrument zu bewegen, dem anderen zuhören, aufeinander musikalisch reagieren. Dabei durchlebten sie einen eigenen Prozess der Auseinandersetzung mit Ungewohntem, mit eigenen Gefühlen wie Freude und Ablehnung, Scham und Rückzug, Lustvollem und Unangenehmen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten gelang ihnen die Verbindung mit einzelnen Szenen sehr gut. So entstanden innerhalb kürzester Zeit viele Szenen und Choreografien, welche musikalisch frei begleitet werden konnten.

In direktem Bezug zum Leben im Selbstversorgerhaus und den dort aufgestellten Regeln des Zusammenlebens entstand durch die Jugendlichen spontan die Szene des Protestzugs, der ihre Wünsche: „Wir schlafen bis um 11!“, „Freies WLAN für alle“, „Die Teamer räumen auf!“ augenzwinkernd mit einem Megaphon sehr lautstark verdeutlichte. Mit „Teamern“ meinten sie dabei die Sozialpädagogen Christin Trzepalkowski, Jule Seidel, Michael Hahn, die sich lebendig und warmherzig um die Jugendlichen kümmerten und den reibungslosen Ablauf im Selbstversorgerhaus gewährleisteten. Am Abend gestalteten sie mit den Jugendlichen die Kulisse für die Aufführung, welche mit individuell gestalteten Kartons besonders eindrucksvoll wirkte. Karges und grau Einheitliches wich bunten Graffititapeten und bemalten Flächen.

  

Die turbulente, aufregende, ereignisreiche, spannungsreiche und arbeitsintensive Projektarbeit wurde mit allen Teilnehmern und dem gesamten Team bei einem gemütlichen Essen gefeiert. Höhepunkt dieses Abends bildete die Ballettvorstellung „Nordic Lights“ in der Semperoper Dresden.

Für die Abschlusspräsentation am Samstagnachmittag gaben die Jugendlichen ihrem Stück den Titel: „Ich. Du. Wir!“

Auf der neu eröffneten Bühne Semper 2 führten sie vor ihren Eltern, Verwandten und Freunden ein gelungenes Tanztheater auf, das mit tosendem Applaus gewürdigt wurde.

Wie gut die Vernetzung zwischen Tanz-Theater-Musik gefiel, wird in der Frage eines Zuschauers nach der Aufführung deutlich, ob die Jugendlichen denn in einem Orchester regelmäßig spielen würden?

 

Text: Claudia Potreck

Fotos: Josefine Kleber

Semperoper