Forschung
Unsere Mission
Unsere Mission ist es, das Hörverstehen sowie die Hörentwicklung von Menschen mit Cochlea Implantat (CI) auf neurokognitiver Ebene besser zu verstehen und somit den Grundstein für die Entwicklung fortschrittlicher CIs zu legen, die zum Beispiel ein verbessertes Verständnis von Sprache oder einen größeren Hörgenuss bei Musik ermöglichen werden. Auch sollen unsere Arbeiten mittelfristig zur Objektivierung der Programmierung der Audioprozessoren beitragen.
Methoden
- Um die Verarbeitung von Geräuschen und Sprache im Gehirn besser zu verstehen, verwenden wir in unseren Studien vor allem zwei Arten von Reizen: auditorische und visuelle Stimuli. Auditorische Stimuli können z. B. Sätze mit und ohne Störgeräusch sein, während visuelle Stimuli meist aus Bildern bestehen. Eine typische Aufgabe besteht darin, ein Bild mit einem gesprochenen Wort oder Satz zu verbinden oder die Korrektheit eines Satzes zu beurteilen.
- Zur Messung der neurokognitiven Prozesse im Gehirn nutzen wir zwei moderne, nicht-invasive Verfahren: Elektroenzephalografie (EEG) und funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS). Beide Methoden sind risikofrei, angenehm für die Teilnehmer und können jederzeit unterbrochen werden.
EEG - Elektroenzephalographie
- Unsere Gehirnzellen kommunizieren ständig miteinander – und das in Form von winzigen elektrischen Signalen. Mit der Elektroenzephalografie (EEG) können wir diese Signale messen. Das EEG funktioniert ähnlich wie ein Thermometer: Es kann die Temperatur erfassen, ohne sie zu beeinflussen. Genauso misst das EEG die elektrische Aktivität des Gehirns, ohne sie zu verändern.
- Wie funktioniert das?
- Das EEG nutzt kleine Messfühler, sogenannte Elektroden, die in eine spezielle Kappe eingearbeitet sind. Damit die Signale gut erfasst werden, tragen wir ein leitfähiges Gel auf die Kopfhaut auf. Nach der Untersuchung besteht die Möglichkeit, sich vor Ort die Haare zu waschen, um das Gel wieder aus den Haaren zu entfernen. Die Messung selbst ist völlig schmerzfrei und nicht spürbar – die Person sollte währenddessen möglichst entspannt sitzen.
- Was verrät das EEG über das Gehirn?
- Wenn jemand Töne oder Sprache hört, verändert sich die Aktivität im Gehirn. Diese Veränderungen können wir mit dem EEG sichtbar machen. So lässt sich zum Beispiel herausfinden, ob das Gehirn ein bestimmtes Wort erkennt und verarbeitet.
NIRS - Nahinfrarotspektroskopie
- Wie misst man, welche Teile des Gehirns aktiv sind?
- Die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) ist eine Methode, mit der man die Sauerstoffversorgung im Gehirn messen kann. Wenn wir zum Beispiel Sprache hören, wird in bestimmten Bereichen des Gehirns besonders viel Sauerstoff verbraucht. Das bedeutet, dass diese Regionen gerade intensiv arbeiten.
- Wie funktioniert das?
- Ein NIRS-Gerät sendet unsichtbares Nahinfrarotlicht auf die Kopfhaut. Dieses Licht dringt ein Stück weit ins Gehirn und wird dort teilweise vom Gewebe und dem Sauerstoff im Blut reflektiert. Spezielle Sensoren fangen das Licht wieder auf. Je nachdem, wie viel Licht zurückkommt, kann man erkennen, wie viel Sauerstoff in diesem Bereich vorhanden ist. Auch diese Messung ist nicht spürbar.
- Die Sensoren und Lichtquellen sind – ähnlich wie beim EEG – in eine Kappe eingebaut, die man auf den Kopf setzt. Mit dieser Technik können wir zum Beispiel herausfinden, ob das Gehirn anders reagiert, wenn jemand Sprache hört, als wenn die Person Geräusche wahrnimmt.
Studien
CI-versorgte Kinder: Studien zu Spracherwerb und Sprachverarbeitung
- Bevor ein Kind seine ersten Wörter und Sätze sprechen kann, muss es bereits viel über seine Muttersprache gelernt haben: Welche Laute gehören zur eigenen Muttersprache und wie können diese Laute kombiniert werden? Welche Sprachmelodie hat die Muttersprache? Wie werden aus Lauten Wörter und wie werden schließlich Wörter zu Sätzen kombiniert? Indem das Kind viel Sprache hört, lernt sein Gehirn nach und nach die Muster der Muttersprache kennen. Kinder mit einem CI sind in Hinsicht auf die Sprachentwicklung daher vor eine besondere Herausforderung gestellt, denn ihre Hörerfahrung unterscheidet sich stark von anderen Kindern. Das Ziel unserer Kinderstudien ist es, den Spracherwerb mit CI zu objektivieren. Da die unbewussten Sprachlernprozesse bei Babys und Kleinkindern „von außen" nicht beobachtbar sind, werden neurophysiologische Messverfahren (EEG oder NIRS) angewandt, mit denen sich die Vorgänge des Gehirns während der wichtigen Schritte des Lautspracherwerbs erfassen lassen.
CI-versorgte Erwachsene: Studien zum Sprachverstehen und zur Ton- und Musikwahrnehmung
- In diesen Forschungsprojekten werden die Prozesse der auditiven Verarbeitung bei CI-Träger:innen genauer beleuchtet. Mittels neurokognitiver Messmethoden können Prozesse wie Ton- und Geräuschwahrnehmungen, das Verstehen von Wörtern oder Sätzen oder auch die Verarbeitung von Musik, objektivierbar gemacht werden. Diese Methoden werden genutzt, um festzustellen, wie das Gehirn den veränderten Höreindruck auf höheren Ebenen verarbeitet, und ob die reduzierte sprachliche Information zusätzliche Verarbeitungsressourcen benötigt, um ein Verstehen zu erreichen.
Historische Entwicklung
- Die Forschungsgruppe Neurokognition wurde im Jahr 2010 gegründet. Dr. Anja Hahne hatte von Beginn an die Leitung inne. Der Aufbau des Labors am SCIC wurde dabei entscheidend durch Niki Vavatzanidis und dem damaligen medizinischen Leiter des SCIC, Prof. Dr. Dirk Mürbe, unterstützt.
- Unser Laborraum war ursprünglich im Haus 3 der HNO-Klinik untergebracht, konnte jedoch nach einigen Jahren in das Haus 84 in direkter Nähe zum SCIC (Haus 11) umziehen. Dort sind nun alle Forschenden sowie die Untersuchungsräume untergebracht.
- Von Beginn an war es das Ziel der Gruppe, das Hören und Sprachverstehen mit Cochlea-Implantaten (CI) besser zu verstehen, um die Rehabilitation und Versorgung von CI-Nutzern gezielt zu verbessern. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung von CI-versorgten Erwachsenen, ein weiterer auf den Auswirkungen der CIs auf den Spracherwerb bei Kindern. Wir möchten die Grundlagen für neue Ansätze schaffen, die beispielsweise das Sprachverstehen in geräuschvollen Umgebungen optimieren. Unsere Forschungsergebnisse präsentieren wir regelmäßig auf nationalen und internationalen Konferenzen und publizieren sie in Fachzeitschriften. In unserer Forschungsgruppe sind zudem zahlreiche naturwissenschaftliche und medizinische Doktorarbeiten sowie psychologische Masterarbeiten entstanden.