Dresdner Insektengiftsymposium 23.10.2010
Kurzzusammenfassung
UAC-Insektengiftsymposium am 23.10.2010 Programm
Das neugegründete Universitäts AllergieCentrum(UAC) Dresden, ein Zusammenschluss der allergologischen Bereiche der Kliniken für Dermatologie, HNO-Heilkunde, Kinder- und Jugendkrankheiten und Abteilung Pneumologie am Universitätsklinikum Dresden, veranstaltete am Samstag den 23.10.2010 unter der Leitung von Professor Michael Meurer, dem Direktor des UAC, ein Symposium über Insektengiftallergien.
Konzeption und Moderation des wissenschaftlichen Programms lagen in den Händen von PD Dr. Jochen Schmitt, Oberarzt im UAC-Bereich Dermatologie.
Den einleitenden Vortrag über „Stichrisiko durch soziale Hautflügler“ hielt Dipl.-Biol. Volker Mauss vom Zentrum für Wespenkunde in Michelfeld-Gnadental.
Mauss führte aus, dass Bienen und Faltenwespen zu den Stechimmen, einer artenreichen Teilgruppe der Hautflügler gehören, wobei nur die Weibchen einen Giftstachel besitzen, der ursprünglich dazu diente Beutetiere zu lähmen, zunehmend aber auch zur Abwehr von Fressfeinden eingesetzt wurde. Als potenzielle Auslöser von Hymenopterengiftallergien kommen in Mitteleuropa etwa 40 Bienen- und Faltenwespenarten infrage, die aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Stachels in der Lage sind, die Haut des Menschen zu durchdringen. Von besonderer Bedeutung hinsichtlich der Hymenopterengiftallergien sind bestimmte Arten der sozialen Faltenwespen, die Honigbiene und im geringeren Maße auch häufige Hummelarten. Das erhöhte Gefahrenpotential dieser Arten ergibt sich aus ihrer hohen Populationsdichte in Siedlungs- und Freizeitbereichen des Menschen und einem ausgeprägten Feindabwehrverhalten am Nest. Von herausragender Bedeutung sind die Honigbiene (Apis mellifera), die deutsche Wespe (V. germanica) und die Gemeine Wespe(V. vulgaris).
Für Bienengiftallergiker besteht während der gesamten Vegetationsperiode ein erhöhtes Stichrisiko. Wespengiftallergiker sind vor allem im Hochsommer bis in den Herbst gefährdet. In den höheren Lagen der Mittelgebirge und der Alpen ist das Stichrisiko für diese Patienten deutlich geringer. Zu Stichereignissen kommt es sowohl durch Bienen als auch durch Wespen vor allem an den Futterplätzen und dem Nestbereich. Die Vermeidung solcher Orte, schützende Kleidung und richtiges Verhalten können hier das Stichrisiko deutlich mindern.
Zu den äußeren Reizen, die zu einem Stichereignis führen können, gehören auch direkte – meist unbeabsichtigte – mechanische Beeinträchtigungen der Wespen bzw. Bienen, Erschütterungen des Nestes, und schnell bewegte Objekte in Nestnähe. Bei schwülem und heißem Wetter sind die Tiere unruhiger und stechlustiger. Aggressives Verhalten, dass zum Stichereignis führt, wird vor allem durch visuelle Reize ausgelöst, wobei die Bewegung des Objektes von entscheidender Bedeutung ist. Aus diesem biologischem Verhalten der Wespen bzw. Bienen ergeben sich, wie Mauss ausführte, für Insektengiftallergiker geeignete Verhaltensmaßnahmen die das Stichrisiko deutlich mindern können.
Einen besonders beachteten und praktisch wichtigen Vortrag hielt Herr Prof. Bernhard Przybilla, Leiter des Allergiezentrums an der Dermatologischen Klinik der LMU in München, zu
„Mastozytose oder erhöhte basale Serumtryptasekonzentration“.
Dem Vortrag von Prof. Przybilla liegt die Hypothese
zugrunde, dass a) es bei Patienten mit Mastozytose zu besonders schwerer
Insektengiftanaphylaxie kommt, b) Patienten mit Mastozytose häufig eine erhöhte
basale Serumtryptasekonzentration aufweisen und c) eine schwere
Insektengiftanaphylaxie möglicherweise mit erhöhter basaler
Serumtryptasekonzentration assoziiert ist.
Einleitend ging Prof. Przybilla auf das klinische Bild und die
WHO-Klassifikation der Mastozytosen ein, zu den neben den kutanen Formen wie
Urticaria pigmentosa, diffuse Mastozytose und Mastozytom, auch eine
Knochenmarksmastozytose, weitere systemische Mastozytosen mit klonalen
hämatopoetischen Erkrankungen und die Mastzell-Leukämie bzw. das
Mastzell-Sarkom gehören. Zu den WHO-Kriterien zur Diagnose der systemischen
Mastozytose gehört eine basale Serumtryptase, die über dem oberen Normwert von
20 µg/l liegt. Während die Symptome bei kutaner Mastozytose wie Pruritus, Flush
und Urtikaria relativ leicht erkennbar sind, weisen vor allem systemische
Mastozytosen neben gastrointestinalen Beschwerden wie Nausea, Flatulenz und
Diarrhoe eine ungewöhnlich vielgestaltige Symptomatik auf; dazu gehören
Blutdruckschwankungen, Synkopen bis hin zum Schock, Rhinorrhoe, Bronchospasmus,
Knochenschmerzen, Osteoporose, Anämie, Veränderungen des weißen Blutbildes,
Eosinophilie und Gerinnungsstörungen sowie auch Schwindel, Gedächtnisstörungen
und Persönlichkeitsveränderungen.
Prof. Pryzbilla machte deutlich, dass für die Erkennung dieser häufig übersehenen Mastozytosen die Messung der Tryptasekonzentration im Serum besonders wichtig ist; diese kann mittels verschiedener Radio- oder Enzymimmunoassays oder kommerzieller Fluoroenzymmimmunoassays erfolgen. Der Zusammenhang zwischen dem Schweregrad einer Insektenstichreaktion – bis hin zur Anaphylaxie - und der basalen Serumtryptasekonzentration ist durch viele klinische Untersuchungen belegt: Bei etwa 10 % der Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen auf einen Insektenstich kommen erhöhte basale Serumtryptasekonzentrationen vor, bei etwa 3 % dieser Patienten kann eine Mastozytose gesichert werden. Bei Patienten mit generalisierten, überwiegend kutanen Stichreaktionen finden sich erhöhte Serumtryptasewerte sogar in 26 %.
Besonders wichtig ist bei derart gefährdeten Patienten die Einleitung und Durchführung einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) zum Schutz vor weiteren generalisierten oder anaphylaktischen Reaktionen nach Insektenstichen.
Prof. Przybilla wies in seinem Vortrag darauf hin, dass eine leitliniengerecht durchgeführte Insektengifthyposensibilisierung bei Vorliegen einer systemischen Mastozytose nur eingeschränkt wirksam sein kann, bei Stichprovokationen zur Therapiekontrolle kommt es häufiger zu systemischen Reaktionen. Aus diesem Grund sollte bei Patienten mit bekannter Mastzellerkrankung oder Patienten mit höheren Serumtryptasekonzentration von vornherein die Insektengifthyposensibilisierung mit einer höheren Erhaltungsdosis (200 µg) bei Bienengiftallergie und ggf. auch bei Wespengiftallergie geplant und lebenslang durchgeführt werden.
Eine Therapiekontrolle durch Stichprovokation wird ebenso empfohlen wie eine begleitende leitliniengerechte Versorgung einer bestehenden Mastozytose.
Abschließend betont Prof. Przybilla noch einmal eindringlich die Notwendigkeit bei Patienten mit Insektengiftallergie, eine Mastzellerkrankung durch Bestimmung der Serumtryptasekonzentrationen und durch fachgerechte Hautinspektion frühzeitig zu erkennen.
Prof. Dr. med. Michael Meurer
Leiter des Universitäts AllergieCentrum Dresden