Blut-Gerinnungsstörungen: Uniklinikum als europäisches Behandlungszentrum anerkannt
Der im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden angesiedelte Bereich Hämostaseologie wurde zum Jahreswechsel als europäisches Hämophiliebehandlungszentrum anerkannt. Damit ist es eines von neun deutschen Zentren und das einzige in den neuen Bundeländern, das die Kriterien des European Haemophilia Network (EUHANET – www.euhanet.org) erfüllt. Das aus Ärzten der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin sowie der Medizinischen Klinik I und weiteren Spezialisten bestehende Team stellt eine umfassende ambulante und stationäre Versorgung von rund 300 Patienten sicher, die unter schweren Gerinnungsstörungen leiden. Darunter sind auch 60 Patienten mit Bluterkrankheit, der Hämophilie.
Seit mehreren Jahren arbeiten die Spezialisten für Blutgerinnung (Hämostaseologen) am Dresdner Uniklinikum sehr eng zusammen: Von Seiten der Kinderklinik sind dies Privatdozent (PD) Dr. Ralf Knöfler, Dr. Judith Lohse und Julia Stächele; in der Medizinischen Klinik I haben sich Prof. Uwe Platzbecker und Dr. Karolin Trautmann-Grill auf dieses Gebiet spezialisiert. Dabei werden sie von einem engagierten Team von Schwestern mit speziellen Kenntnissen in der Betreuung von Gerinnungspatienten unterstützt. In den Gerinnungsspezialambulanzen beider Kliniken werden über 300 Patienten mit schweren Gerinnungsstörungen regelmäßig mitbetreut, darunter etwa 60 Patienten mit Bluterkrankheit. In diesen Ambulanzen stellen sich jährlich mehr als 1.000 Patienten vor. Sie kommen entweder zur regelmäßigen Mitbetreuung oder werden bei Verdacht auf eine Gerinnungsstörung von niedergelassenen Ärzten zur Diagnostik überwiesen. Bei der Versorgung dieser Patienten spielt die ebenfalls seit vielen Jahren etablierte enge Zusammenarbeit mit Prof. Gabriele Siegert eine wichtige Rolle. Die Direktorin des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am Uniklinikum ist ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Gerinnungsdiagnostik. Prof. Siegert und ihr Team können auch sehr seltene Gerinnungsstörungen, wie zum Beispiel angeborene Funktionsstörungen von Blutplättchen, zuverlässig feststellen und liefern damit die Grundlage für eine optimale Behandlung.
„Unser Hämophiliebehandlungszentrum ist ein anschauliches Beispiel für ein hochspezialisiertes Angebot der Hochschulmedizin. Dank der interdisziplinären Zusammenarbeit werden Patienten mit einer seltenen und besonders schweren wie komplexen Erkrankung nach den modernsten Erkenntnissen der Medizin betreut. Nur sehr wenige Krankenhäuser in Deutschland verfügen über diese Expertise, die für die Patienten überlebenswichtig ist. Doch diese international anerkannte Qualität wird – wie auch viele andere hochqualifizierte ambulante Versorgungsangebote – von den Krankenkassen nicht adäquat vergütet. Diese Situation beschränkt sich nicht auf Dresden: die ambulanten Leistungen an den deutschen Uniklinika stellen in ihrer Gesamtheit ein massives Finanzierungsproblem dar, das dringend gelöst werden muss“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums und Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).
Basis der nun durch das European Haemophilia Network für drei Jahre erfolgten Anerkennung ist nicht nur die fachübergreifende Zusammenarbeit der Experten, sondern eine umfangreiche Dokumentation der Leistungen und Abläufe. Dazu wurden durch PD Dr. Ralf Knöfler, Leiter des Bereiches Pädiatrische Hämostaseologie der Uni-Kinderklinik und Schwester Claudia Nitze umfangreiche Unterlagen mit detaillierten Angaben zur Betreuung von Gerinnungspatienten mit Blutungsneigung am Uniklinikum zusammengetragen.
Die Bluterkrankheit zählt zu den seltenen Gerinnungsstörungen und tritt als „Hämophilie A“ mit fehlendem beziehungsweise vermindertem Gerinnungsfaktor 8 bei einem von 5.000 Jungen auf. Von der „Hämophilie B“ – hier liegt ein Mangel des Gerinnungsfaktors 9 vor – ist einer von 30.000 Jungen betroffen. „Gerade die schwere und mittelschwere Verlaufsform dieser Erkrankung stellt eine große therapeutische Herausforderung dar. Die betroffenen Patienten neigen spontan oder bei Bagatellverletzungen zu bedrohlichen Blutungen, welche beispielsweise im Bereich der Gelenke auftreten und mit dem Risiko bleibender Gelenkschädigungen verbunden sind“, sagt PD Dr. Knöfler. Daher benötigen die Betroffenen mehrfach pro Woche blutungsvorbeugende Injektionen des fehlenden Gerinnungsfaktors. Zudem erfordert jede invasive Prozedur, wie beispielsweise Operationen ein für jeden Patienten individuell festzulegendes Schema für die Gabe weiterer Gerinnungsfaktoren. Die dafür benötigten Konzentrate werden durch den Bereich Transfusionsmedizin an der Medizinischen Klinik I unter Leitung von PD Dr. Kristina Hölig bereitgestellt.
Die Bluterkrankheit wird oft bereits im Säuglings- und Kleinkindesalter diagnostiziert. Sichtbares Anzeichen ist eine ausgeprägte Blutungsneigung. Die für die Patienten überlebensnotwendigen Gaben der Gerinnungsfaktoren, die möglichen Blutungen vorbeugen, erfolgen zunächst durch die Kinderärzte in der Gerinnungsambulanz oder durch engagierte niedergelassene Kollegen. Meist im 3. oder 4. Lebensjahr übernehmen dies die Eltern nach umfangreichen Schulungen. Schließlich lernen die Patienten im Jugendalter, sich die Injektionen selbst zu geben. Trotzdem müssen sich die Betroffenen regelmäßig in der pädiatrischen Gerinnungsambulanz vorstellen. Hier wird unter anderem die Behandlung mit den Gerinnungsfaktoren gesteuert. Ziel ist es zum Beispiel, bleibende Gelenkschäden zu vermeiden. Erreichen die Patienten das Erwachsenenalter, wechseln sie zur weiteren Mitbetreuung in die Gerinnungsambulanz der Medizinischen Klinik I. „Das ist eine ideale Situation für diese Patienten und ermöglicht Kontinuität in der hohen Qualität der med. Versorgung“, sagt Prof. Uwe Platzbecker.
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PD Dr. Ralf Knöfler, Leiter der Gerinnungssambulanz an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin injiziert dem dreijährigen Vincent den von seinem Körper nicht selbst gebildeten Gerinnungsfaktor. Um das häufige Spritzen bei dem kleinen Jungen zu erleichtern, wurde ihm ein zentraler Venenzugang unter die Haut unterhalb des rechten Schlüsselbeines angelegt. Künftig werden Vincents Eltern die mehrfach pro Woche durchzuführenden Injektionen übernehmen, so dass sie mit ihrem Sohn nur noch vierteljährlich zu Kontrolluntersuchungen ins Dresdner Uniklinikum kommen müssen. Foto: Uniklinikum Dresden / Holger Ostermeyer
Kontakt für Journalisten
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Bereich Hämostaseologie
Leiter: PD Dr. med. Ralf Knöfler
Telefon: 0351 458-47 99
E-Mail: ralf.knoefler@uniklinikum-dresden.de
www. uniklinikum-dresden.de/kik