Abdullah und die Fruchtzwerge
Ein OP-Team der Klinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus ersetzte in einer komplexen Operation die vom Schlund bis zum Magen völlig zerstörte Speiseröhre eines dreieinhalbjährigen Jungen aus Afghanistan durch einen Teil seines Dickdarms. Gleichzeitig versorgten die Chirurgen ebenfalls stark angegriffene Luftröhre des Patienten. Dieser bei Kindern sehr seltene Eingriff verlief äußerst erfolgreich: Zwei Wochen nach der Operation genießt Abdullah bereits Fruchtzwerge – ein Gaumenschmaus, der am Ende eines mehrmonatigen Leidenswegs steht. Um künftig weitere Kinder operieren zu können, die vom Verein „Friedensdorf International“ nach Deutschland gebracht werden, ruft der „Dresdner Kinderhilfe e.V.“ zu einer Spendenaktion auf. Ziel ist es, die Materialkosten für derartig aufwendige Eingriffe zu finanzieren. Der Einsatz des OP-Teams und die unentgeltliche Bereitstellung des OP-Saals sowie die Übernahme der Pflegekosten durch das Universitätsklinikum komplettieren die Hilfsak-tion, die schwerst kranken oder verletzten Kindern ein Leben ohne Schmerzen und eine weitestgehend normale Entwicklung ermöglicht.
Mit Abdullah profitiert in diesem Jahr bereits ein zweites afghanisches Kind von dem großen Erfahrungsschatz der Kinderchirurgen des Uniklinikums: Im Frühjahr hatte ein Team um Klinikdirektor Prof. Dietmar Roesner bereits ein achtjähriges Mädchen erfolgreich operiert: Shafiqa litt an einer schweren Entzündung des Knochenmarks. Das betroffene Gewebe im Inneren des Knochens musste deshalb restlos entfernt werden. Den Chirurgen gelang es, der Entzündung Herr zu werden und trotzdem den Oberschenkelknochen zu erhalten. Nach einem Reha-Aufenthalt und weiteren Monaten im Friedensdorf bei Oberhausen, ist das Kind nun wieder völlig gesund und zurück bei seiner Familie in Afghanistan. „Damit solche Operationen erfolgreich verlaufen, sind nicht nur entsprechende Erfahrungen entscheidend, sondern auch eine Vielzahl an speziellen Medikamenten und Verbrauchsmaterialien“, sagt Prof. Roesner. Um das Universitätsklinikum zu entlasten – es übernimmt die Kosten für die Bereitstellung des OP-Saals sowie die Pflege durch die Krankenschwestern – regte der Verein „Friedensdorf International“ an, auch in Dresden Spenden für künftige Operationen zu sammeln. Mit dem Verein „Dresdner Kinderhilfe e.V.“ fand sich eine Institution, die sich bereits seit vielen Jahren für Kinder einsetzt, die durch Krankheiten in Not geraten. Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist vor allem die Hilfe für Patienten und deren Familien, die aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet des Universitätsklinikums stammen. Das größte Projekt der Vereinsgeschichte ist der Bau des Elternhauses an der Schubertstraße.
Prof. Dietmar Roesner und seine Mitarbeiter engagieren sich seit mehr als zehn Jahren für die Kinder aus Afghanistan, der Kaukasusregion sowie Afrika, die ihnen die Initiative „Friedensdorf International“ vermittelt. „Für uns ist es eine große Herausforderung, schwer kranken oder verletzten Kindern zu helfen, die in ihren Heimatländern oft nur mangelhaft versorgt werden konnten“, berichtet Prof. Roesner. Nicht selten kommen die kleinen Patienten in einen schlechten Zustand, weil sie vor Ort nicht richtig operiert wurden oder sie sich Folgeerkrankungen eingehandelt haben. Umso mehr freuen sich die Chirurgen über die Erfolge ihrer Arbeit: Etwa in dem Fall eines afrikanischen Jungen, den sie wegen eines verkürzten Beins gleich mehrmals operieren mussten. Zum Abschied schenkten sie ihm einen Fußball. Ein Foto im Büro des Klinikdirektors zeigt ihn wie er nun diesem Ball nachjagt und seinen Altersgenossen dabei in nichts nachsteht. „Es erfüllt uns mit großer Genugtuung, wenn wir auch diesen Kindern helfen können und damit großes Leid verhindern“, so Prof. Roesner.
„Wir sind wahnsinnig dankbar, dass wir mit den Kinderchirurgen des Dresdner Uniklinikums ein so spezialisiertes Team für unsere Hilfsaktionen gewonnen haben. Die Beispiele von Shafiqa und Abdullah sind dafür ein eindrucksvoller Beleg“, sagt Christian Heisig, Koordinator für Ostdeutschland bei Friedensdorf International. Auch in Zukunft möchte der Verein besonders schwer verletzte Kinder am Universitätsklinikum operieren lassen. „Wir sind heilfroh, dass Herr Prof. Roesner ein offenes Ohr für uns und unsere ganz speziellen Fälle hat, für die wir OP-Teams suchen“, so Christian Heisig weiter. Insgesamt unterstützen allein in Ostdeutschland 100 Krankenhäuser und Reha-Kliniken die Hilfsaktion. Rund 300 Kinder sind im Rahmen des Programms in Deutschland. Die meisten davon kehren nach einem halben Jahr in ihre Heimat zurück.
„Als uns der Verein „Friedensdorf International“ über seine Hilfsaktion für schwer verletzte Kinder aus Afghanistan und anderen Regionen der Welt erfuhren, haben wir uns spontan zur Unterstützung entschlossen. Denn der Unikinderklinik ist es nicht möglich, alle Behandlungskosten zu tragen. Zusammen mit unserem Medienpartner Dresdner Neueste Nachrichten werden wir deshalb eine Spendenaktion starten. Sie soll dabei helfen, die Materialkosten für weitere schwierige Operationen aufzubringen. Wir sind zuversichtlich, dass die Dresdner dieses Anliegen unterstützen werden", sagt die stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Dresdner Kinderhilfe e.V.“, Gisela Hoyer.
Ein Schluck veränderte Abdullahs Leben dramatisch
Der damals nicht einmal Dreijährige trank versehentlich Batteriesäure. Die Flüssigkeit verätzte nicht nur seine Speiseröhre sondern fraß sich bis zur Luftröhre durch. Damit Abdullah nicht verhungerte, erhielt er eine Magensonde. Doch im krisengeschüttelten Afghanistan hätte der Junge damit nicht lange überlebt. Dank „Friedensdorf International“ kam er in ein Düsseldorfer Krankenhaus. Doch auch die dortigen Spezialisten bekamen das Problem nicht in den Griff. Um das Kind doch noch zu retten, wandte sich der Verein an Prof. Roesner. Er gehört zu den erfahrensten Kinderchirurgen Deutschlands. Einer seiner Schwerpunkte sind große Eingriffe am Magen- und Darmtrakt. Für den heute Dreieinhalbjährigen war die Reise nach Dresden ein absoluter Glücksfall: Nach mehrstündiger OP und drei Tagen künstlichem Koma sind die großen Wunden bereits so weit verheilt, dass er nun erstmals wieder essen kann. Allerdings muss der Junge das Schlucken erst wieder lernen, da er monatelag keine Nahrung über den Mund zu sich nehmen konnte und darunter der Schluckreflex gelitten hat. Wenige Tage nach der OP begann im Uniklinikum eine Logopädin, mit Abdullah diesen Reflex wieder zu trainieren. Dabei entdeckte er ein neues Leibgericht – die auch bei deutschen Kindern seines Alters so heiß geliebten Fruchtzwerge.
Aktion Friedensdorf e.V. holt 134 Kinder nach Deutschland
Im August hat der Verein insgesamt 134 verletzte oder kranke Kinder zu medizinischen Behandlung nach Deutschland geholt. Die meisten – nämlich 92 – stammen wie Abdullah aus Afghanistan. Hinzu kamen noch 42 Kinder aus Usbekistan, Tadschikistan, Georgien und Armenien. Im Gegenzug trat die vollständig genesene Shafiqa die Heimweise an.
Die Mehrheit der kleinen Patienten kommen mit schweren Knochenentzündungen, Verbrennungen und angeborenen Fehlbildungen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland, Für sie gibt es in den krisengeschüttelten Heimatländern keine Versorgungsmöglichkeiten. Die nächsten Wochen oder auch Monate werden die Kinder in deutschen Krankenhäusern behandelt, die mit Friedensdorf International kooperieren und die notwendigen Operationen sowie die Pflege kostenlos übernehmen. Danach verbringen die Patienten noch einige Zeit zur weiteren Rehabilitation in dem vom Oberhausener Verein betriebenen Friedensdorf. Seit über 40 Jahren holt Friedensdorf International kranke und verletzte Kinder aus Afghanistan nach Deutschland. Der aktuelle Hilfseinsatz für afghanische Kinder ist bereits der 59. seit Vereinsgründung.
Spendenkonto der Dresdner Kinderhilfe e.V.
Ostsächsische Sparkasse Dresden, Konto Nr.: 3 120 124 540, BLZ: 850 503 00, Stichwort: Kinder-OP
Kontakte
Universitätsklinikum Carl Gustav CaruS
Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie
Prof. Dietmar Roesner
Tel.: 0351 458-3800
E-Mail: dietmar.roesner@uniklinikum-dresden.de
www.uniklinikum-dresden.de
http://www.tu-dresden.de/medkichi/
Friedensdorf International
Christian Heisig
Koordinator für Ostdeutschland
Tel: 030 46604731
E-Mail: berlin@friedensdorf.de
http://www.friedensdorf.de