Lebendspende schenkt Leben - rechtzeitig
2.200 Nierentransplantationen finden pro Jahr in Deutschland statt, davon 65 im vergangenen Jahr am Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Zehn der hier verpflanzten Nieren waren eine Lebendspende naher Angehöriger. Bei drei Spenderpaaren passten die Blutgruppen nicht zusammen. Trotzdem konnten die Transplantationen erfolgreich stattfinden. Ein spezielles Desensibilisierungs-Verfahren macht Lebendnierenspenden mit bislang unverträglichen Blutgruppen möglich. Zukünftig soll dieses Verfahren mehr Menschen mit Nierenversagen helfen, rechtzeitig ein Spenderorgan zu erhalten.
Ihren 48. Geburtstag im November 2009 wird Karin Bandt aus der Nähe von Bautzen in Erinnerung behalten. An diesem Tag machte ihr Mann das Angebot, ihr eine seiner Nieren zu schenken. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits einen Monat Hämodialyse-Patientin. Zysten hatten ihre Nieren so stark geschädigt, dass diese ihre Filterfunktion nicht mehr erfüllen konnten. Am Transplantationszentrum des Dresdner Uniklinikums ließen Peter und Karin Bandt untersuchen, ob der Ehemann als Organspender überhaupt in Frage kam. Körperlich gesund und fit erfüllte der heute 50-Jährige zwar alle Voraussetzungen dafür, doch seine Blutgruppe (A) war mit der seiner Frau (0) nicht verträglich. Eine Hürde, die noch vor wenigen Jahren diese Lebendspende unmöglich gemacht hätte. Es wäre zu einer sofortigen Abstoßung des fremden Organs gekommen. Dass die Transplantation für Peter und Karin Bandt im Januar 2011 dennoch erfolgreich stattfinden konnte, liegt an einer speziellen Therapie. „Bei Blutgruppenunverträglichkeit – in der Fachsprache AB0-Inkompatibilität – bieten wir am Dresdner Transplantationszentrum dem Organ-Empfänger eine spezielle Desensibilisierungstherapie an. Diese entzieht vorhandene Antikörper und verhindert die Nachbildung von Antikörpern und damit eine Abstoßungsreaktion“, so Prof. Christian Hugo von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III. Der Internist und Nephrologe hat sich als auf die internistischen Aspekte der Nierenerkrankungen spezialisiert.
Der Erfolg des Dresdner Transplantationszentrums gründet auf Teamwork. Bereits bei der Vorbereitung zur Transplantation und in der Nachbetreuung unmittelbar nach der Operation, die das Ärzteteam von Prof. Manfred Wirth, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Dresdner Uniklinikums vornimmt, arbeiten Urologen und Nephrologen Hand in Hand. Bei einer AB0-inkompatiblen Transplantation erhält der Organ-Empfänger in der Woche vor der Operation eine sogenannte Immunadsorption. In einem Verfahren vergleichbar der Dialyse werden dem Blut die Stoffe entzogen, die eine Abwehrreaktion gegen Zellen des Spenders bewirken. Um die gewünschten Werte zu erhalten, wird die Behandlung an mehreren Tagen fortgeführt. Karin Bandt erhielt ihre letzte Immunadsorption, während ihr Mann schon im OP-Saal lag. Das OP-Team startete erst, als bei ihr die richtigen Werte erreicht waren. Eine halbe Stunde nach der Entnahme bekam Karin Bandt die Niere ihres Mannes eingepflanzt. Noch auf dem OP-Tisch begann das Organ in ihrem Körper zu arbeiten.
Im letzten Jahr wurden in Dresden insgesamt 65 Nieren transplantiert. Zehn von ihnen waren Lebendspenden, drei der Spenderpaare wiesen eine Blutgruppenunverträglichkeit auf. Bundesweit finden jährlich etwa 2.200 Nierentransplantationen statt. Die meisten sind postmortale Transplantationen. Das bedeutet, ein Organ wird nach dem Hirntod seines Spenders verpflanzt. 20 Prozent der Nierentransplantationen sind jedoch – wie im Fall von Karin und Peter Bandt – Lebendspenden.
Prof. Hugo und Prof. Wirth möchten vor allem die Zahl der Lebendspenden steigern. Denn: Den jährlich Transplantierten stehen bundesweit viermal so viele Menschen gegenüber, die auf eine neue Niere warten. Gleichzeitig geht das Angebot an Spenderorganen zurück. Die Folge sind immer längere Wartezeiten für Betroffene, mindestens fünf Jahre, meistens deutlich mehr. Viele Menschen, die auf den Wartelisten stehen, sterben, bevor sie ein Spenderorgan bekommen. Dabei ist vor allem das Krankheitsstadium für den Erfolg einer Transplantation entscheidend. Prof. Hugo: „Je früher die Transplantation stattfindet, desto besser. Mit jedem Jahr an der Dialyse verschlechtert sich der Erfolg für eine Transplantation. Im Idealfall sollte präemptiv transplantiert werden, das bedeutet, noch vor Beginn einer Dialysetherapie. Dies ist jedoch nur durch die Leb-endspende eines nahen Angehörigen möglich“.
Karin Bandt geht es gut nach der Transplantation. Die Medikamente zur Unterdrückung ihres Immunsystems, die jeder Organ-Empfänger nehmen muss, verträgt sie ebenfalls. Und Peter Bandt? „Auch er hat die Operation gut überstanden, er ist zurzeit in der Reha“, so seine Frau. Schon im Frühjahr will er wieder als Lehrer im Aus- und Fortbildungsinstitut der Polizei arbeiten. Karin Bandts Sorge, der gute Gesundheitszustand ihres Mannes könne sich durch die Nierenspende verschlechtern, konnten ihr die Ärzte des Dresdner Transplantati-onszentrums nehmen. „Nierenspender haben im Normalfall kein erhöhtes Gesundheitsrisiko und können nach der Operation wieder ihr gewohntes Leben führen“, so Prof. Wirth.
Seit dem letzten Jahr
bietet das Dresdner Nierentransplantationszentrum regelmäßig
Patienten-Seminare an, auf denen die Betroffenen über Chancen und
Risiken zur Transplantation informiert werden und ihre Anliegen direkt
besprochen werden. Das nächste Patienten-Seminar findet am 4. Juni 2011
im Universitätsklinikum, Haus 40, Dekanatshörsaal, Fiedlerstraße 27 in
Dresden statt.
Kontakte
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Prof. Dr. med. Christian Hugo
Tel.: 0351 458-4879
Fax: 0351 458-5333
E-Mail: Christian.Hugo@uniklinkum-dresden.de
Internet: http//mk3.uniklinikum-dresden.de
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Urologie
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wirth
Tel.: 0351 458-2447
Fax: 0351 458-4333
E-Mail: Manfred.Wirth@uniklinikum-dresden.de
Internet: http://urologie.uniklinikum-dresden.de