Benutzerspezifische Werkzeuge

„Ich würde mich immer wieder so entscheiden“

Blutwäsche gegen Blutgruppenunverträglichkeit: Bei 67 Nierentransplantationen im Klinikum wurden 2011 insgesamt 21 Mal Organe eines Lebenden übertragen


Tag der OrganspendeUnter dem Motto „Richtig. Wichtig. Lebenswichtig!“ findet am Sonnabend (2. Juni) der bundesweite „Tag der Organspende“ statt. Zentraler Veranstaltungsort des Tages ist in diesem Jahr Dresden, wo sich die Bevölkerung im „Infodorf fürs Leben“ auf dem Altmarkt mit Ständen und Aktionen zu Organspende, Transplantation und Gesundheit informieren kann. In Dresden wird ein Großteil der Organtransplantationen von Ärzten des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus vorgenommen. Dabei verfügen die Mediziner um den Transplantationsbeauftragten Prof. Manfred Wirth, Direktor der Klinik für Urologie, und seinem Stellvertreter Prof. Christian Hugo, Nephrologe an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, über große Erfahrungen in der Transplantation von Nieren. Ebenfalls übertragen werden am Universitätsklinikum Bauchspeicheldrüsen und menschliches Gewebe wie Augenhornhäute sowie Inselzellen. Insgesamt fanden im vergangenen Jahr 67 Nierentransplantationen statt. 21 der übertragenen Organe waren Lebendspenden naher Angehöriger der Organempfänger. Das sind etwa 30 Prozent. Damit ist der Anteil an Lebendspenden im letzten Jahr in Dresden erstmals höher als im Bundesdurchschnitt, bei dem die Lebendnierenspenden bei etwa 20 Prozent liegen. Und dieser Anteil steigt: Ein Grund sind die bedauerlicherweise rückläufigen Zahlen von Organspenden Verstorbener, die zum Teil durch die erfolgreiche Transplantation von Organen eines Lebenden kompensiert werden können.

Der 15. April 2010 war für Simone Bär und Tilo Pietsch ein ganz besonderer Tag. An jenem Donnerstag schenkte die 42jährige Dresdnerin ihrem Lebenspartner eine ihrer Nieren. Zuvor hatte sich Simone Bär lange und intensiv mit dem Thema Lebendspende auseinandergesetzt – ohne jedoch ihrem Partner davon zu erzählen. Der 49-jährige Tilo Pietsch litt an Nierenversagen und war seit 2008 von der Dialyse abhängig, es ging ihm gesundheitlich sehr schlecht. Als Simone Bär erfuhr, dass das Dresdner Uniklinikum Transplantationen auch bei Blutgruppenunverträglichkeit erfolgreich vornimmt, wurde ihr Wunsch zur Lebendspende zur Gewissheit. Denn bei ihr und ihrem Partner bestand eine Unverträglichkeit der Blutgruppen.

Prof. Dr. Christian Hugo von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III ist als Nephrologe von internistischer Seite auf Nierenerkrankungen spezialisiert: „Bei Blutgruppenunverträglichkeit – in der Fachsprache AB Null-Inkompatibilität – bieten wir Organ-Empfängern eine spezielle Desensibilisierungstherapie. Diese verhindert die Bildung von Antikörpern und damit eine Abstoßungsreaktion.“ Der das Organ empfangene Patient erhält in der Woche vor der Operation eine sogenannte Immunadsorption. Ein der Dialyse vergleichbares Verfahren entzieht dem Blut die Stoffe, die eine Abwehrreaktion gegen Zellen des Spenders bewirken. Um die gewünschten Werte zu erhalten, wird die Behandlung an mehreren Tagen fortgeführt.

Der Erfolg der Transplantationen gründet auf Teamwork. Seit 1995 wurden am Dresdner Universitätsklinikum bereits über 500 Nieren transplantiert – seit einigen Jahren gehören auch Lebendnierenspenden dazu. Damit diese innovative Form der Transplantation erfolgreich verläuft, arbeiten die Urologen um Prof. Manfred Wirth mit den Nephrologen der Medizinischen Klinik und Poliklinik III um Prof. Christian Hugo eng zusammen. Im Bereich der Nierentransplantation nahm die Zahl der Lebendspenden in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu. Denn die Zahl der Menschen, die eine neue Niere brauchen, ist in Deutschland viermal so hoch wie das Angebot an Spenderorganen. „Häufig warten Nierenkranke sieben Jahre und länger auf eine Niere von einem Verstorbenen. Für viele dieser Patienten ist das zu lang und leider sterben jedes Jahr einige von ihnen, während sie auf ein Spenderorgan warten“, sagt Prof. Wirth. Gleichzeitig sind die Ergebnisse der Lebendspende deutlich besser als die der Verstorbenenspende. Am Dresdner Uniklinikum lag der Anteil der Lebendnierenspenden im Jahr 2011 mit 21 bei etwa 30 Prozent von insgesamt 67 Nierentransplantationen. Damit war Dresden in Bezug auf die Lebendnierenspenden erstmals über dem Bundesdurchschnitt, der bei etwa 20 Prozent liegt.

Für Simone Bär war die Entscheidung, ihrem Partner eine ihrer Nieren zu schenken, gleich in mehrfacher Hinsicht ein großer Schritt. Die Dresdnerin hat ausgeprägte Angst vor medizinischen Behandlungen, besonders vor Operationen. Für ihren Partner wollte sie ihre Angst jedoch überwinden. Prof. Hugo: „Nierenspender haben im Normalfall auf lange Sicht kein erhöhtes Gesundheitsrisiko und können bald nach der Operation wieder ihr gewohntes Leben führen.“ Doch erst einmal warteten auf Simone Bär viele Untersuchungen. Neben den Tests, die ihre physische Gesundheit feststellen sollten, folgten für beide auch eine psychologische Untersuchung sowie eine Befragung durch die Ethik-Kommission. Nur wenn der Empfänger im Vorfeld definitiv keinen Zwang auf den Spender ausgeübt hat, keine psychische Abhängigkeit oder finanzielle Anreize bestehen und allein der Wunsch des Spenders, dem anderen zu helfen, den Ausschlag für die Organspende gibt, kann zu einem positiven Votum kommen.

Die anschließende von Oberarzt Dr. Steffen Leike aus der Klinik für Urologie vorgenommene Operation verlief für Simone Bär und Tilo Pietsch erfolgreich. Noch auf dem OP-Tisch nahm die Niere der Spenderin im Körper des Empfängers die Arbeit auf. Für Simone Bär folgten Tage mit Schmerzen, dennoch konnte sie bereits am zweiten Tag ihren Partner auf der Intensivstation besuchen. Bereits drei Wochen später nahm die Dresdnerin an einer Weiterbildung teil, die wichtig für ihren Beruf war. Es dauerte aber noch ein paar Monate, bis sich Simone Bär wieder genauso fit und gesund fühlte wie vor der Operation. Heute hat sie keine Einschränkungen in ihrem gewohnten Alltag. Für Simone Bär steht fest: „Ich würde mich immer wieder so entscheiden.“ Tilo Pietsch hat durch das Geschenk seiner Partnerin sehr viel Lebensqualität zurückgewonnen. Sein Leben ist nicht mehr von einer Maschine abhängig. Die Zeit an der Dialyse gehört der Vergangenheit an und sein positives Lebensgefühl ist zurückgekehrt. Die Regeln, die er mit dem Spenderorgan einhalten muss – wie der streng geregelten Einnahme der Immunsuppressiva – nimmt er gern in Kauf und kann mit Hilfe von einigen Medikamenten wieder ein freieres Leben führen.

Kontakt und weitere Informationen

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Urologie
Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wirth
Tel.: 0351 458-2447
E-Mail: urologie@uniklinkum-dresden.de
Internet: www.uniklinikum-dresden.de/uro

Medizinische Klinik und Poliklinik III
Prof. Dr. med. Christian Hugo
Tel.: 0351 458-4879
christian.hugo@uniklinkum-dresden.de
www.mk3.uniklinikum-dresden.de
 

Archiv